Wie hoch liegt die Schweiz? — Von der Nordsee bis zum Mittelmeer geht es nur bergab
(reload vom 17.10.06)
Im Herbst 2006 boomte die Wirtschaft in der Schweiz. Der SMI = Swiss Market Index stürmte von einem Allzeithoch zum nächsten. Es ging immer nur aufwärts. Immerhin konnte man dieses Hoch, diese „Hausse“ noch messen, denn die Zahlen waren leicht zu verfolgen. Komplizierter ist es mit der sonstigen Höhe der Schweiz, denn die wird hier nicht nur anders gemessen als beim nördlichen Nachbarn, sie heisst auch anders.
Während die Deutsche von der „Höhe über dem Meeresspiegel“ sprechen, sagt man in der Schweiz mit einer hübschen Alliteration und ohne bestimmtem Artikel: „Meter über Meer“:
Meter über Meer (m ü. M.) ist die offizielle Bezeichnung der Schweizer Höhenangaben.
In der Schweiz verwendet man als amtliche Höhen, nivellierten Höhen ohne Schwereausgleich aus dem Landesnivellement von 1902 (LN02). Als Ausgangspunkt des Schweizer Höhennetzes dient der Repère Pierre du Niton. Dessen Höhe wurde vom mittleren Meeresspiegel von Marseille abgeleitet und auf 373,6 m gerundet.
(Quelle: Wikipedia)
Mit „Meer“ ist also keine Nordsee und keine Ostsee gemeint, sondern das Mittelmeer. Die östlichen Nachbarn der Schweiz, die Österreicher, fanden auch zu Recht, dass das Mittelmeer ihnen am nächsten liegt, gingen aber zum Vermessen nicht nach Marseille als Bezugspunkt, sondern an die Adria. Das hat Folgen:
Die schweizerischen Höhenangaben weichen um ca. -0,6 bis -7,5 cm von den österreichischen Höhen über der Adria ab. Da der Repère Pierre du Niton 1845 ungenau auf 376,86 m bestimmt wurde, sind Höhenangaben, die sich auf diesen „Alten Horizont“ beziehen (zum Beispiel in der Siegfriedkarte und Dufourkarte), um 3,26 m höher als die heute offiziellen Werte.
Wenn Sie also mit der Dufourkarte auf die Dufourspitze steigen, sind sie laut Karte nicht auf 4634 Meter über Meer, sondern 4637 Meter. Hier gibt es einen wunderschönen 360 Grad Quicktime Rundumblick davon. Aber vorher eine Jacke anziehen. Ist ziemlich kalt da oben.
Bis 1993 wurde in Deutschland die Höhe in beiden Teilstaaten getrennt gemessen und definiert.
Die Vermessungsverwaltungen der 16 Bundesländer Deutschlands beschlossen im Jahr 1993 ein einheitliches Höhenbezugssystem, das DHHN92, einzuführen. (…) Anschlusspunkt zur Festlegung des DHHN92 ist der Knotenpunkt Wallenhorst (bei Osnabrück), der an das europäische Referenznetz (ETRS89) angeschlossen ist, das sich weiterhin auf den Pegel von Amsterdam bezieht.
Amsterdam liegt an der Nordsee, nicht am Mittelmeer. Und was kann es Schöneres geben, als ein knackige Abkürzung wie „DHHN92“, klingt wie ein DJ-Kürzel oder der Name eines Flugzeugs. Doch, es geht noch schöner. Wenn Sie „Meter über Meer“ auch wie reine Poesie empfinden, wie gefallen Ihnen dann diese Wortkonstruktionen:
Von Normalnull über Höhennull zu den Höhen über Normalhöhennull
Die bisher geltenden Höhenbezüge auf Normalnull (NN) und Höhennull (HN) werden damit durch das Quasigeoid des DHHN92 ersetzt und als Höhen über Normalhöhennull (Höhen über NHN) bezeichnet
(Quelle: Wikipedia)
Zum Glück ist das nicht wirklich die eingebürgerte Bezeichnung. Sie dürfen „meter über Normalhöhennull“ sagen, kurz „m. ü. NHN“. In der Schweiz heisst es m. ü. M. (meter über Meer) und in Österreich m. ü. A. (meter über Adria). Meter ist in der Schweiz laut unserem Duden vorwiegend männlich, aber auch sächlich möglich, in Deutschland nur männlich, warum aber in den Abkürzung das/der Meter klein geschrieben wird, das mag uns niemand erklären.
Richtig spannend wurde es, als 2003 in Laufenburg eine neue Brücke zwischen der Schweiz und Deutschland gebaut wurde und die jeweiligen Ingenieure die landestypische Höhenmessung verwendeten.
Knapp ein Kilometer östlich von Laufenburg befindet sich die Neue Rheinbrücke. Sie wurde gebaut, um die auf beiden Seiten des Rheins gelegene Altstadt vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Bei ihrem Bau verwendeten die Schweizer Brückenbauer den Triester Pegel, die deutschen Brückenbauer hingegen den Amsterdamer Pegel. Zwischen beiden Pegeln besteht eine Differenz von 27 Zentimetern. Die Differenz wurde aber falsch korrigiert, so dass sie schliesslich 54 Zentimeter betrug. Dies sorgte 2003 für viel Gespött, da die Brücke ohne die dann vorgenommenen Korrekturen nicht für den Verkehr nutzbar gewesen wäre. Die Eröffnung erfolgte im Dezember 2004
(Quelle: Wikipedia)
(Quelle Foto: karl-gotsch.de)
Als im Frühjahr 2006 bei Rheinfelden eine neue Autobahnbrücke zwischen der Schweiz und Deutschland eingeweiht wurde, mit der das Nadelöhr Basel umfahren werden soll, erzählt der Schweizer Bundesrat Moritz Leuenberger die Geschichte der Laufenburger Brücke so:
Auf beiden Seiten des Rheins wurde gebaut. Als die beiden Hälften hätten vereinigt werden sollen, ergab sich ein Höhenunterschied von einem halben Meter.
Ein Rätsel.
Die Zahlen stimmten, aber die Differenz blieb.
Der Oberexperte aus Deutschland reiste verzweifelt in die Ferien zu seiner Fraktion in die Toskana am Mittelmeer, derjenige aus der Schweiz nach Sylt, an die Nordsee. Das brachte die Wahrheit an den Tag:
Es lag an der Meereshöhe. Wir in der Schweiz berechnen sie ab dem Mittelmeer, Sie in Deutschland berechnen sie ab der Nordsee.
Nicht einmal mehr auf die Tiefe des Meeresspiegels kann man sich verlassen. Das nächste Mal werden wir im Vertrag genauer sein und festhalten: Wir berechnen die Meereshöhe nach dem Tiefensee.
Die Brücke von Laufenburg zeigt: Es gibt manchmal auch Grenzen der Verständigung, die wir im Eifer um Objektivität übersehen, zu Unrecht übersehen.
Wir müssen also mit Rücksicht auf die Fakten und die jeweiligen Interessen aller Betroffenen entscheiden, unabhängig davon, auf welcher Seite der Grenze sie sich gerade befinden.
(Quelle: uvek.admin.ch)
UVEK ist übrigens kein „Universeller Verein Evangelischer Knastbrüder“ sondern bezeichnet das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.
Die ganze Geschichte auch als wvx-Video hier bei azonline.ch
P.S.: Wo liegt eigentlich der Tiefensee, nach dem Leuenberger in Zukunft die Höhe berechnen will?
Dezember 7th, 2009 at 11:26
Das kleine meter (m) – der große Meter (m).Eine unterschiedliche Schreibweise von Meter / meter gibt es nicht.
Denn laut der gültigen SI-Einheiten werden die Dimensionsnamen (Länge, Breite, Höhe) immer mit dem großgeschriebenen Dimensionssymbolen (L, B, H) gekennzeichnet. Die Einheit „Meter“ hat als zugehöriges Einheitenzeichen (Dimensionszeichen) das kleingeschriebene „m“. Das kleine „m“ ist das Einheitenzeichen für die Einheit „Meter“ nach SI-Standart, das große „M“ im „Meter“ ist die übliche Großschreibung der Einheit „Meter“.
Denn diese besagten …..m ü.M. sind nur mit den Zahlenwerten z. B. 1.234,567 als die hier zugehörige Einheit „Meter“ möglich und dem Zusatz, dass es sich auf das Bezugsniveau des Meeres bezieht.
Das m.ü.M. ist so mit dem kleinen „m“ im Kürzel richtig, jedoch ohne einen Punkt zu schreiben. Die Einheitenzeichen werden immer ohne einen solchen Punkt geschrieben.
Beispiel: 1.234,567 m ü.M., (hier also richtig: …… Meter über Meer). Es würde somit falsch sein, wenn es klein (meter über Meer) geschrieben ist, weil das „m“ tatsächlich in der Angabe das Einheitenzeichen für die zugehörigen „Meter“ ist!
Anderes Beispiel: 100 km/h = 100 Kilometer / Stunde.
Grundsätzlich gilt:
Alle Einheitenzeichen werden obligatorisch mit kleinen Buchstaben geschrieben, außer wenn die betreffenden Einheitenzeichen nach Menschen benannt sind, wie z. B. W = Watt, V = Volta, A = Ampere, Ω = Ohm, Sv = Sievert!
Als die Austriaken das Höhensystem 1875 eingeführt haben, befand sich die Adriastadt Triest noch in der KuK-Monarchie und deshalb hatte der Alpenstaat noch ne echte Marine. Deshalb ist es logisch gewesen, sich am eigenem heimischen Meeresniveau die Höhenbezüge zu holen.
Zur weiteren Verwirrung: http://de.wikipedia.org/wiki/Internationales_Einheitensystem#SI-Einheiten
Dezember 11th, 2009 at 3:43
Kann man so oder so kommentieren. Die Schweiz liegt in etwa 250 km vom Meer weg. Deutschland… naja, hat Nord- und Ostsee-Zugang. Das Ulkige ist aber: Die deutsche Interpretation basiert auf DIN bzw. EN und das orientiert sich an weltweiter Normung (sogar ANSI-Zugeständnisse), eben auf dem, was die Schweiz gerne als internationale Normungen als neutrales Land ansieht.
Ja, äh. Das topographische Institut in Basel hat sicher Recht. Kleinstaaterei. Selbstverarschung. Ein besseres Wort fällt mir dafür derweil nicht ein.