Placebo Software im Alltag — Neulich beim Fitness
Kennen Sie Placebos? Das sind diese hübschen bunten Pillen, die man vom Arzt verschrieben bekommt, wenn sonst nichts mehr hilft und die Selbstheilungskräfte des Patienten tüchtig angekurbelt werden müssen. Es ist garantiert kein pharmazeutischer Wirkstoff darin enthalten, ausser der üblichen Basismasse aus Zucker und Stärke, sowie Farbstoff, was höchstens den Karies-Erhalt unterstützt und das Auge erfreut. Dennoch haben Placebos garantiert eine grosse Wirkung, denn der Glaube daran, dass sie etwas bewirken, versetzt nicht nur Berge sondern lässt uns sofort eine Besserung verspüren. Es gibt sogar Placebo-Akupunkturnadeln, die gar nicht durch die Haut stechen, sondern in den Nadelhalter einfahren, wovon der Patient nichts merkt. Der Nadelhalter bleibt dann auf der Haut kleben. Sieht aus wie echt, und absolut schmerzfrei. Wirken trotzdem ganz hervorragend.
Das Wort „Placebo“ ist Latein und bedeutet „ich werde gefallen„. Nicht drei Wörter, sondern nur eins brauchten die Römer, um die Person, die Tätigkeit und die Zeit auszudrücken. Placebos gibt es auch als Software. Mein liebstes Beispiel steht in meinem Fitnesscenter OxyGym in Bachenbülach auf der Empfangstheke: Ein Computerbildschirm mit Tastatur, auf dem jeder Ankommende die Parkplatznummer eingibt und bestätigt bekommt, auf den er oder sie geparkt hat. Die Nummer wird als „registriert“ bestätigt. Ob man nun 2 Stunden oder 4 Stunden als Deutscher geparkt oder als Schweizer parkiert hat, oder ob man in der Zwischenzeit wegfuhr und jemand anders den Platz einnahm, der das gar nicht durfte, das alles ist der Software ganz egal, denn das Autokennzeichen muss man nicht zusätzlich eingeben.
Das wäre zu kompliziert und würde die Kunden, die ja mehr an ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit und weniger an ihrer Mnemotechnik arbeiten möchten, zu sehr verwirren. Wissen Sie das Kennzeichen ihres Autos auswendig? Kann ich mir genauso wenig merken wie meine Handynummer. Wozu auch, steht ja in den Papieren bzw. auf dem Schild, wo ich es jederzeit ablesen könnte. Diese Parkplatz-Registrierung ist für uns ein klassisches Beispiel von Placebo-Software: Wir tun etwas Sinnvolles, in dem wir die Nummer des Parkplatzes eingeben und mit Drücken der Entertaste bestätigen. Die Software gibt uns ein positives Feedback (auf Englisch „Rückkopplung“), und wir fühlen uns wohl und zufrieden dabei, denn wir sind jetzt „legalisiert“, keine bösen Falschparker mehr.
Was will man mehr, als dass wir uns wohl fühlen und zufrieden sind darüber, dass hier alles seinen geordneten Gang geht. Ob wirklich ab und zu eine Liste der registrierten Parkplätze ausgedruckt und von einem Ordnungshüter draussen vor der Tür im Regen überprüft wird, wagen wir erheblich zu bezweifeln. Wie soll der wissen, ob nicht jemand, der sich seinen Platzplatz registrierte, vor kurzem wegfuhr und von einem illegalen Falschparker, einem Schmarotzer des Systems sozusagen, klamm-heimlich ersetzt wurde? Bevor dieses System eingeführt wurde, mussten Besuche des OxyGyms, um kostenlos parken zu können, einen Werbeaufkleber auf ihrem Auto anbringen. Wahrscheinlich sprach sich dieser Trick in Falschparkerkreisen bald herum, und der ein oder andere Halunke liess sich einfach von einem guten Freund so einen Aufkleber billig besorgen, ganz ohne wirklich Mitglied im Club der Legalparker zu sein. Geht jetzt nicht mehr, ist lange schon abgeschafft und ersetzt durch die beschriebene narren- und fälschungssichere Softwarelösung.
Die Parkplätze sind sorgsam beschriftet mit dem Namen des Fitnesscenters. Bei der Migros gegenüber zu parken kostet hingegen die Unsumme von 1.00 CHF. Da ist die Versuchung schon gross, sich durch gemeines Falschparken eine goldene Nase zu verdienen, was wiederum mit dieser Software erfolgreich bekämpft zu werden scheint. Faszinierend, wie alles zusammenspielt: Die Zufriedenheit der Besucher und Einhaltung der Parkvorschriften. Auch ich drücke weiter fleissig die Nummer meines Parkplatzes und lasse mich durch ein „Sie sind jetzt registriert“ beglücken. Placebo-Software? Find ich gut!
November 10th, 2009 at 21:06
Kann mir jemand mal erklären, wieso es vor dem Fitness-Studio überhaupt Auto-Parkplätze braucht? Ein gesunder Mensch, der sich fit halten will, kann ja auch auf eine etwas gesündere Weise als mit dem Auto zum Fitnessen fahren oder gehen, nicht wahr? Siehe auch dieses Bild und denke nach: http://bilder.net/rolltreppe,fitnesstudio.jpg .
Bei Veloständern fiele dann auch die Überlegung zur Software weg, da durchschnittlich mnemotechnisch begabte Leute noch viel weniger die alljährlich wechselnde Velovignettennummer auswendig lernen können (und wollen) als etwas dauerhaftes wie eine Telefon- oder eine Autonummer. Und Dauerparkierer im Veloständer stören auch nicht so sehr, als dass man dagegen elektronische Tricks erfinden müsste.