Zu Lande, zu Wasser, zu Weg — Wenn Schweizer sich wohlfühlen
(reload vom 5.9.06)
Dieses alte Motto der Pilger auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela in Nordspanien wird in der Schweiz nicht einfach ungefragt in den Raum gestellt. Nicht allein, dass ein schönes Stück dieses Pilgerpfades mitten durch die Schweiz verläuft,
(Quelle Foto: myswitzerland.com)
nein, für die Schweizer ist die Frage, ob man er „zwäg“ sei, ein essentielles Erkunden nach dem persönlichen Wohlbefinden. Es ist damit nicht der Weg zur Waage gemeint, um den morgendlichen Gewichtszunahmeschock zu überstehen. Und damit nicht wage gegrübelt wird, ob der andere schon weg ist oder wegen des Weges Probleme hat, wird deutlich beton: „Siit er zwäg“. So geschehen auf dem Blueskonzert in Winterthur durch die Jungstar Sängerin Mia Aegerter:
(Tages-Anzeiger vom 30.08.06, S.16)
In der Schweiz ist man vielseitig unterwegs: In der Luft, zu Wasser oder zu Lande. Letzteres dann am liebsten auf Wegen. Wichtig ist allerdings die vollständig und korrekt formulierte Frage. Hier ein paar fehlerhafte Exemplare:
Fehler 1: Bist Du zu?
Das fragen Sie den Schweizer Jugendlichen, wenn er auf dem Weg zur Berufsschule mit glasigen Augen und Minipupillen in den Pendlerzug steigt, oder sie fragen das ihren Kiosk der Schweizer Kiosk AG, wenn sie am Abend um 20:00 Uhr Ziggis kaufen möchten (die nichts mit David Bowies Ziggy Stardust zu tun haben, sondern geraucht werden), und sie ein charmanter Rolladen anlächelt.
Fehler 2: Bist Du weg?
Fast richtig, denn die korrekte Schweizerdeutsche Rückfrage würde lauten: „Bist Du noch da“ und nicht negativ „Bist Du weg?“, obwohl das aufs Gleiche hinausläuft und in dieser Gesprächssitutation genauso passend ist wie der beliebte Streitauslöser: „Schläfst Du schon?“ oder „Lebst Du noch“. Auf diese Fragen mit JA oder NEIN zu antworten, entbehrt unserer Meinung nach einer gewissen Logik. Wenn also nur eine Antwort möglich ist, nämlich „NEIN, ich bin wach“ oder „JA, ich lebe noch“, warum dann überhaupt fragen?
Fehler 3: Zu Aldi?
Das fragt man in der Schweiz nicht, denn das ist nicht politisch opportun. Obwohl, Sie könnten sich ja immer erklärend damit rausreden, dass sie nur fragen wollten, ob Aldi endlich dicht gemacht hat, also zu ist.
Richtig: Bist Du zu weg / wäg / wääg /zwäg
Egal wie sie es auch schreiben, es wird sich ein Schweizer finden, der gerade diese Art von Verschriftung nicht akzeptieren wird. Aber egal.
Dieses nette Universalfahrzeugt sahen wir in Liverpool. Es nennt sich „Yellow Duck“ und ist in der Lage, das frisch restaurierte Albert Dock unweit der Waterfront von Liverpool am Mersey zu Lande und zu Wasser den Touristen vorzuführen.
Leiter hochziehen!
Dann heisst es festhalten und ab geht’s ins Wasser!
Das wär doch was für die Schweizer Städte Zürich, Basel, Genf oder Biel, die alle an Seen oder Flüssen liegen! Damit wären Sie immer „zwääg“.
September 25th, 2009 at 9:36
die übersetzung von „machs guet“ oder „e schöne“ auf deutsch ist ja „hau rein“, sind nun alle deutschen sadisten?
September 25th, 2009 at 14:20
«Zwäg» gibts auf Standarddeutsch:
zu|we|ge, zu We|ge; nur in Wendungen wie zuwege od. zu Wege bringen; [gut] zuwege od. zu Wege sein (ugs. für wohlauf sein)
(Duden – Die deutsche Rechtschreibung, 24. Aufl. 2006)
Es ist weder «landsch.» noch «schweiz.», «mdal.» oder «derb», sondern nach Meinung der Duden-Redaktion ganz normales Deutsch.
September 25th, 2009 at 17:16
Ich muss dem Zuercher Recht geben. DAS wäre wirklich eine Attraktion, damit in Horgen Richtung Meilen abzulegen.
September 25th, 2009 at 17:30
Inzwischen hat „zwäg“ (das ja eigentlich zwääg geschrieben werden müsste) bereits weiter gedreht. Längst sind nicht mehr nur Winterthurer, generell Personen oder gar – wörtlich – Pilger zwääg. Wenn die Leute, die sich am Konzert mit Mia Aegerter zwäg fühlten, ihren Freunden davon erzählen, „ischs en zwääge Abig gsi“. Und Mia selber finden ja viele „e Zwäägi“.
Eigentlich ist das inhaltlich mindestens so logisch wie „ufgstellt“ (aufgestellt), das etwa synonym verwendet wird. „Sind er ufgstellt?“ bzw. „Sit er ufgstöut?“ Das hätte die aufgestellte Sängerin durchaus auch fragen können und auch das hätte einem aufgestellten Abend keinen Abbruch getan.
September 25th, 2009 at 18:12
warum zwäg, das man genau wie zwäg schreibt, eigentlich zwääg geschrieben werden müsste, bedarf noch einer Erläuterung. Die Beliebtheit erklärt sich den zahlreichen Bedeutungen und den vielen Kombinationsmöglichkeiten.
Das Wort „ufgestellt“ höre ich eigentlich so gut wie nie. Aufgestellt schon deutlich häufiger. Bei allem Respekt vermag ich auch in diesem Ausdruck kein eigentliches Synonym zu entdecken. Dies kann natürlich auch im Gebrauch der Mundart liegen, die sich nicht ständig durch einen Duden hinterfragt.
Zumindest würde ich aufgestellt nicht mit „gesund“ oder im Zusammenhang mit Gesundheit im Sinne von „gut gehen“ in Verbindung bringen. Auch mit „parat sein“, würde ich es nicht übersetzen. Die Mia kenne ich nicht. Und ich weiss auch nicht, ob ich auf ein Konzert von ihr möchte.
Bei einem Konzert wird von der Bühne doch nicht selten gefagt wie are you ready und alle müssen brüülen Yeahh (auch die, welche sonst liturgische Vorgänge zutiefst ablehnen). Also fragt die Sängerin die Wintis, ob sie bereit seien für ihre Darbietung.
Würde sie in Köln auf einem Talentwettbewerb ( http://www.linus-talentprobe.de/index.php?p=0 ) auftreten, wäre die Antwort: Ausziehen!
Da das Publikum dort meistens nach einigen Darbietungen so hackedrietenvoll is, wäre die Frage nach „aufgestellt“ passend, da die mesiten sicher wieder „aufgestellt“ werden mussten.
Für mich ist dies mehr ein Begrüssungsritual in bestimmten Vorgärten. Na, wer hat Euch denn aufgestellt? Meistens antworten die Zwerge nicht.
September 26th, 2009 at 2:00
@neuromat
Schweizerdeutsch wird phonetisch geschrieben und deshalb braucht ein lang gesprochenes „zwääg“ eben 2 ä.
Klar hörst du nie „ufgestellt“, weil es ja „ufgstellt“ (ufgschtellt, aber scht schreibt man nach den Mundartschreibregeln als st) oder in deiner Region allenfalls „ufgstöut“ heisst.
Die Bedeutung ist gut gelaunt, in guter Stimmung.
Früher hiess das noch „guet ufgleit“ (gut aufgelegt). Auch dafür musste man keineswegs liegen …
Die Analogie zum Yeaaa!-Brüllen stimmt hingegen.
September 26th, 2009 at 13:57
Zu Wege bringen einer Schleimspur
oder
Wenn man nicht merkt auf der falschen Seite zu stehen
Es war ein Problem zwischen Bergen und Wüsten,
was zu lösen gewesen wäre ohne groß aufzurüsten.
Es war mal ein kleiner Clown nach Schweizer Art,
was man so meinte, er sei der beste und ganz smart.
Er ward genannt Ha-Rudolfo, der erleuchtete Merz,
was er macht, das bringt der Nation oft nur Schmerz.
Er wollte vorführen ein grandioses Salto mortale,
was er dann schaffte war ein blamables Salto anale.
September 26th, 2009 at 17:06
„Schweizerdeutsch wird phonetisch geschrieben“
hierzu erwarte ich dann demnächst den phonetisch astreinen Beweis des ufgstellt (zwischen g und s bitte auch ansatzweise keine Andeutung eines soeben an der Wahrnehmunsschwelle liegenden e)
nein, keine Angst. Es wird natürlich nicht phonetisch geschrieben das „Schweizerdeutsch“. Selbstverständlcih gibt es in der Verschriftung sowohl ck, k, gg und gg (welches getrennt voneinander ausgesprochen wird). Man kann es natürlich phonetisch schreiben, weil niemand hat ja Mundartschreiben gelernt).
Das doppelte „ää“ ist zudem phonetisch in zwäg nicht gegeben. Es mag sein, dass obige Mia bei den Wintis ziemlich rääggig sprach und somit eine Räägge wäre.
Lernt doch endlich mal vernünftig „Schweizerdeutsch“, sonst können wir ja gleich „wältsche“. 😉
P.S.: Sämtliche Verschriftungen wurden anhand von Wörterbüchern und unter Mithilfe von mindestens 75, besser ueber 80jährigen Einheimischen erstellt. Klar gibt es den Trend, „phonetisch“ das Lokalkolorit zu verschriften. Man lese mal Pedro Lenz. Darum findet dann Jens auch niemanden, der nicht doch noch eine andere Schreibweise wüsste.
PPS.: Ich kenne „aufgestellt“ aus der COOP – Zeitung: und meine erste Assoziation sind Partnerschaftsanzeigen. Die COOP – Zeitung brachte auch einmal eine ganze Serie Partner suchender SchweizerInnen. Alle waren „aufgestellt“. Im täglichen Umgang habe ich das noch „ufg((e))stöut“
PPPS.: es gibt also doch Mundartschreibregeln 🙂
PPPPS.: Gut aufgelegt. Das erinnert mich doch dann an Radiosendungen in meirn Kindheit. Als es noch Schallplatten gab.
September 26th, 2009 at 19:54
Korrektur:
Ich habe mich nochmals genau informiert: Man kann st im Wortinnern durchaus als scht schreiben, also ufgschtellt, ufgschteut, ufgschtöut etc.
September 26th, 2009 at 23:26
heute in der Post: Werbebrief einer Versicherung. „Wissen wies geht“.
Mannn ka ales shraibn. das wisn wi dch. Ds säbbst dan wnn de Baschtabun villog druchaneinre sin wir das lässen un vaschteen können.
September 27th, 2009 at 15:01
@ solanna/Neuromat
Ich werbe wieder mal für die so genannte Dieth-Schreibung oder «Schwyzertütschi Dialäktschrift» (@ Neuromat: Sie zählt leider erst zarte 71 Lenze, in Pedros gemessen ca. 3 x 4 Fakultät).
Was diese Dialektverschriftung m.E. so genial einfach macht, ist die Tatsache, dass sie einerseits ziemlich streng phonetisch ist, sich anderseits aber auch eng an Orthografie und Aussprache der deutschen Standardsprache anlehnt. Ich war mal an der Produktion mehrerer Mundartbücher beteiligt, wobei die verwendete Mundart nicht «meine» war, und bin seither von Eugen Dieths System überzeugt. Wir verwendeten u.a. die folgenden (teilweise modernisierten) Regeln nach Dieth:
1.) Lange Vokale wurden konsequent verdoppelt (Muus, schaad, gsii). Welcher Vokal in welchem Wort als lang zu gelten hatte, war allerdings öfters unklar. Sagte man z.B. in jenem Dialekt für Weglein «Wägli» oder «Wäägli»?)
2.) «scht» statt «st» schrieb man nur dann, wenn das Wort in Mundart anders ausgesprochen wird als im Standarddeutschen:
– Aussprache «st» in Mundart wie Standarddeutsch: uustriibe (wie austreiben), Huustür (Haustür).
– Aussprache «scht» in Mundart wie Standarddeutsch: Abstand, Stund, vestoo (verstehen).
– Aussprache Standarddeutsch «st», aber Mundart «scht»: Mischt, Poscht, geschter.
http://als.wikipedia.org/wiki/Eugen_Dieth
http://als.wikipedia.org/wiki/Dieth-Schreibung
September 27th, 2009 at 18:35
@ Guggeere
die Frage ist berechtigt, warum blieb mir dieser schöne Link so lange vorenthalten. Zumindest ist mir kein Blogeintrag erinnerlich – aber ist ja auch egal. Jetzt ist er da. Ich werde mich daher nun zum Studium begeistert zurückziehen. Eine kleine Bemerkung juckt mich aber irgendwie doch: Eugen ist so ein deutscher Vorname …
September 27th, 2009 at 23:07
„Eugen“ deutsch? Ich dächte doch griechisch! Und wie ist’s mit dem Buch (nicht Film!) „Mein Name ist Eugen“? Die Bubengeschichten spielen in Bern.
September 28th, 2009 at 13:35
nein, nicht griechisch. Wird ja hier immer schlimmer. Was ist denn eigentlich los. Sonst kriegt man doch immer die „rom“ anischen Wurzeln bei jeder unpassenden Gelegenheitpräsentiert. Lateinisch.
Aber der Witz mit dem Griechischen ist natürlich auch „nicht von schlechten Eltern“ – eben eu – gen
September 28th, 2009 at 18:57
ja, manche Gartenzwerge antworten dann doch. Sei gegrüsst, Zürcher, Eugenius vulgaris,
(kleiner Gratistipp: Den Neid einfach ein wenig unterdrücken, die running gags nicht überstrapazieren. Nur simpel gestrickte Gemüter können sich daran noch erfreuen.
Ein wenig mal zurücklehnen. Der Zuercher an sich ist doch die Reinkarnation der Selbstironie, versteht sich entspannt gelassen aus der Distanz nicht ganz ernst zu nehmen. Versteht sich auf die Kunst des Flirtens und das filigrane Spiel mit der Sprache; isst gerne Baguette, nimmt etwas fromage einen coup de vin rouge; immerhin beherbergt er die Metro und den Eiffelturm, die Tuilerien und gab dem genialen Roman eine neue Heimat)