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Munros einsacken in Schottland

  • Nur 45 Viertausender in der Schweiz, aber 277 Dreitausender in Schottland
  • Gehen Sie gern in die Berge, wohlmöglich gleich ins Hochgebirge, und besteigen möglichst viele Gipfel? In der Schweiz mag es ein anstrengendes und erstrebenswertes Ziel für ambitionierte Gipfelstürmer sein, möglichst alle 45 Viertausender zu erklimmen. Wir kommen gerade von einer Reise aus den schottischen Highlands. Dort trifft man allerorts eine ganz spezielle Sorte von Sammlern: Die „Munro-Bagger“ (bagging = „einsacken, in die Tasche stecken“). Man erkennt sie leicht an dem mitgeführten Spezial-Handbuch aus den 50ern, in der vierten Auflage von 1997, in dem alle 277 schottischen Berggipfel präzise beschrieben werden, die höher als 3000 Füsse hoch sind.

    Munro’s Tables
    (Quelle: Amazon. Der offizielle Guide „Munro’s Tables“)

  • Rauf auf 3000 Füsse
  • Klingt hoch, doch umgerechnet sind das nur 914 Meter. Ein gewisser Sr. Hugh T. Munro hat diese Liste 1891 zusammengestellt, ist aber selbst am Vorhaben, sie alle zu besteigen, kläglich gescheitert. Das gelang erst 1900 durch Reverend Archibald Eneas Robertson, und nun ist es Volksport in Schottland, möglichst alle persönlich aufzusuchen um sie dann „abzuhaken“. Stolz werden am Abend in der Herberge die Häkchen präsentiert, und es wird erzählt, dass man heute wieder 3-4 davon geschafft hat und dabei neun Stunden im Regen und Nebel mit einer Sichtweite von max. einem Meter unterwegs war.

    Munros bei Braemar
    (Quelle Foto: Private Aufnahme — Ein seltener Tag mit guter Sicht in den Highlands bei Braemar)

  • Heute schon in Autan gebadet?
  • Munro-Bagger sind ein ganz spezielles Völkchen. Sie könnten ja leicht behaupten, oben gewesen zu sein. Wer merkt das schon, denn schottische Berggipfel haben weder ein Kreuz zum Abfotografieren noch ein Gipfelbuch zum Eintragen. Auch Wegmarkierungen gibt es kaum. Kartenlesen und Kompassbenutzung will geübt sein in den unwirtlichen Highlands. Auf der Isle of Skye, wo sich allein 12 Munros befinden, ist das besonders schwer, weil das Gestein so eisenhaltig ist, dass jede Kompassnadel verrückt spielt. Echte Munro-Bagger gehen bei jedem Wetter los, verbringen neun Stunden im Dauerregen und stellen sich dann abends in die Wartschlange für die warme Dusche. Hoch sind Munros nicht, aber oft nur nach langem Fussmarsch zu erreichen. Falls es nicht in Strömen regnet werden die Munro-Bagger von Abermillionen schottischen Mini-Mücken geplagt, auch „Midges“ genannt. Man sieht sie nicht, so klein sind sie, aber man spürt die Bisse dieser nur 1-2 mm grossen Plagegeister sofort an jeder freien Körperstelle. Am liebsten gehen sie in die Ohren. Na, juckt es jetzt grad bei Ihnen? Mehrmals täglich in Autan baden hilft ungemein.

  • Munro-Bagger und Munro-Banging
  • In der Welt der Munro-Bagger sind etliche Rekorde gemacht worden: Kathy Murgatroyd war die erste Frau, die sie alle bestieg. Der erste 70jährige und der erste 10jährige sind überliefert, ebenso der erste Hund, der mitsamt Herrchen auf allen Gipfeln war. Der Rekord liegt bei 66 Tagen. Das sind 4.19 Gipfel pro Tag. Munro-Bagger zählen nicht nur Munros, sondern auch sich selbst. Über 4‘000 sind weltweit bekannt, und in jedem Jahr werden es mehr, fein säuberlich vom Scottish Mountaineering Club aufgelistet als offizielle „Munroists“. Von Spöttern werden sie statt als „Munro-Bagger“ gern auch als „Munro-Banger“ bezeichnet, was zu erklären nicht ganz jugendfrei ist.

  • Hast du alle Ticks?
  • Entspannt wurde uns beim Abendessen in einer Bergherberge am Fusse der Munros verkündet, wer „seine Munros“ schon vor 20 Jahren alle im Sack hatte, und wer sie sogar zweimal besuchte, was den Kauf eines neuen Handbuchs notwendig machte, für die frischen Häkchen in der Liste. Diese Häkchen heissen auf Englisch „tick“, und so manch Munroist hatte einen solchen nicht nur in seinem Munro-Guide.

    Auf dem letzten Gipfel wird übrigens gefeiert, mit Sekt und Gipfelfrühstück. Danach beginnt die Jagd nach den „Marilyns“. So nennt man die Gipfel mit mindestens 490 Fuss Höhenunterschied zur Umgebung, und von denen gibt es 1‘214 Stück in Schottland, manche Munros gehören auch dazu, was das Vorhaben etwas beschleunigt. Und, haben Sie für den nächsten Sommer schon was vor? Autan und Kugelschreiber für die „ticks“ gibt’s billig in jedem Drogeriemarkt, die Schotten kennen sich da aus.

    

    4 Responses to “Munros einsacken in Schottland”

    1. Guggeere Says:

      Gratuliere, wieder mal eine schöne Geschichte!
      Mich erinnern diese Munro-Bagger an ein Phänomen Ende sechziger / Anfang siebziger Jahre in der Schweiz.
      Quasi aus dem Nichts heraus wurden plötzlich überall so genannte Volksmärsche veranstaltet. Das ging so: Hunderte oder Tausende Wanderer trafen sich sams- oder sonntags an einem bestimmten Startort, bezahlten ein Startgeld, bekamen dafür eine Medaille angehängt und spulten eine bestimmte mehrstündige Wanderstrecke ab. Es konnte also vorkommen, dass du als unschuldiger Spaziergänger irgendwo unterwegs warst, und plötzlich kam eine Kolonne medaillengeschmückter Wanderer entgegen, die durch die Landschaft wuchteten, nicht selten im Eilmarschtempo. Damals, nota bene, dominierten optisch noch rote Socken und Knickerbockers (je nach Mundart auch «Pumphose» oder «Gagufänger» genannt).
      Etliche absolvierten fast jedes Wochenende einen oder zwei Volksmärsche. Die Profis unter ihnen erkannte man nicht nur an der forschen Gangart, sondern auch an der mit einem Dutzend scheppernder Medaillen geschmückten Heldenbrust, was leicht komisch wirkte und irgendwie an hoch dekorierte Kriegsveteranen oder lateinamerikanische Diktatoren* erinnerte.
      Die Bewegung flaute mit der Zeit stark ab. Immerhin konnten sich einige Volksmärsche ins dritte Jahrtausend hinüberretten.

      * http://www.dictatorofthemonth.com/Trujillo/trujillo2.jpg

      [Anmerkung Admin: Ach, das gab es in der Schweiz auch? Aus Deutschland kenne ich diese Mode sehr gut. Man ging aber nicht mit den Orden an der Brust wandern; die Blechdinger wurden gesammelt und daheim an die Wand gehängt. 20, 25 oder 30 KM waren normal, das Startgeld lag meist bei 20 DM (womit auch der Orden bezahlt wurde). Sehr bekannt ist der Hermannslauf über 31.1 KM auf dem Teutoburger Wald]

    2. Phipu Says:

      Sicher findet man in der Apothik einen Bic für die ticks. Aber wenn es piekst wegen tiques (oder so) braucht man nicht Autan (was die meisten Schweizer wohl nicht einmal kennen).

      Daran (u.a.) unterscheiden sich nun eben Schweizer und deutsche Weltenbummler: Gegen Insekten braucht man im neuesten Bundesland (das, welches von Ghadafi Deutschland zugeteilt wurde) einzig die Produktereihe „Anti-Brumm“:
      http://www.vifor.ch/Vifor/de/products/otc/haut/anti-brumm.php

      Einen interessanten und kurzen Artikel dazu findet man hier (PDF-Seite 5):
      http://www.nzz-libro.ch/doc_book/9783038234180.1%20Kopie

      [Anmerkung Admin: Anti-Brumm hatten wir auch in zwei Varianten dabei, das hat die schottischen Mist-Migdes aber nicht abgehalt, nur Autan hat geholfen.. ]

    3. Ric Says:

      Das ist doch uralte alpenländische Tradition. Siehe die ganzen alten Waldschrate die am Wanderstock die ganzen kleinen Wanderabzeichen haben. Ich hab mein erstes, den „Wanderwichtel“, schon mit 7 Jahren gekriegt. Da musste man mehrere Stationen ablaufen und da hat man sich einen Stempel aus so einem Kasterl holen können, auf ein Kärtle gedrückt, zum Beweis man war dort. Dann gab es den Wichtel^^ Hab den heut noch irgendwo..

      Die schönsten Bergwelten der Welt sind meiner Meinung nach in den USA. Die Rockies (5.000 km lang – 100 bis 600 km breit) gegen die sind die Alpen ein Zwerg!), die Apalachen, die Sierra-Nevada…
      alles so viel größer, unfassbar viel größer, als alles was man in Europa finden kann. DA ist echte Wildnis, Europa ist ja seit Generationen im Grunde ein einziger großer gepflegter Garten in dem alles vom Menschen kultiviert und kontrolliert wird. Wer in Montana verloren geht bzw. sich verirrt braucht entweder Glück oder eine Ausbildung in Überlebenstechniken. In den Alpen hat man sogar oft Handyempfang. Montana ist größer als Deutschland aber hat nur um die 940.000 Einwohner.

      Ich finde das, also nicht die Gefahr sondern diese echte wilde Natur, total entspannend. Nur erscheint einem in Europa nach der Rückkehr von so einer Reise immer alles total winzig, langweilig, überlaufen und wie in einem Vergnügungspark für Kleinkinder. Grand Canyon, Death Valley, Yosemite & Yellowstone,… das alles muss man einfach einmal in seinem Leben gesehen haben.

    4. Frank Says:

      Hallo zusammen, ich möchte ja nicht besserwissericher sein. Zum Zeitpunkt des Erstellens Deines Artikels gab es übrigens 284 Munros. Wenige Tage später wurde da in Schottland neu nachgemessen, nunmehr sind es nur noch 283 ;-). Das Blöde für mich dabei ist, dass der aus der Munroliste gefallene Berg, der ist, den ich letztes Jahr als letztes meiner jährlichen Munrobagging-Tour erstiegen habe.
      Und was das Massenphänomen angeht. In den Alpen ist es voller als in den Munros!

      [Anmerkung Admin: Nun, ich habe extra die richtigen Webseiten aufgesucht um die genaue Zahl zu finden, 284 war schon lange nicht mehr aktuell. Aber irgendwie scheint das schwierig zu sein, sich auf eine genaue Zahl festzulegen. Ich zähle da doch lieber weiter Marilyns 🙂 ]