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Leben wie ein Saisonnier — Als Deutscher mit L-Ausweis unterwegs (2. Teil)

(reload vom 6.8.2006)

  • Einkaufen ohne Hemmungen
  • Christian schreibt weiter darüber, was ein L-Ausweis im Schweizer Alltag bedeutet:

    Die 16% Mwst. bei Einkäufen in Deutschland wird nur an B- und C-Ausländer zurückerstattet.

    Vorteil: Man kann ungenierter einkaufen und muss nicht immer auf diese Maximalmengen achten: 2 Liter Wein, 5 Kg Milchprodukte etc.

    Meine Frau hat den Status „Familienangehörige“, ihr Ausweis ist also zeitlich an meinen gekoppelt. Als sie sich nach unserem Umzug hier nach Arbeit umgesehen hatte, erklärte man ihr in einem Vorstellungsgespräch, dass es ja nicht sicher sei, dass sie in der Schweiz bleibe (mit Verweis auf meinen Ausweis) und dass man doch daher lieber auf Schweizer oder Kandidaten, bei denen das sicher sei, zurückgreift.

    Gleiches Verfahren wie bei der Wohnungssuche: Ist die Nachfrage gross genug und das Angebot an Fachkräften klein genug, regelt sich auch dies hoffentlich von selbst.

    Wir haben neulich einen Jahreswagen bei einem Händler hier in der Schweiz gekauft. Da wir nicht einen Grossteil unseres Kapitals auf einmal ausgeben wollten, dachten wir an einen Leasingvertrag. Bis dahin war der Händler noch freundlich und machte uns ein gutes Angebot. Als dann aber die Frage nach dem Ausländerausweis kam, änderte sich dies schlagartig. Ein kurzes Telefonat zwischen dem Händler und der Kreditabteilung, und man beschied uns, dass wir nicht kreditwürdig seien.

    Alternative: Ich könne ja am nächsten Tag einen unbefristeten Arbeitsvertrag vorlegen inklusive Angabe über mein Salär und unsere sonstigen finanziellen Verhältnisse. Wir mussten das Auto dann bar bezahlen (was unser Bild beim Händler wohl wieder gerade rückte, denn dies machen offensichtlich die wenigsten Schweizer).

  • Anruf vom Migrationsamt: Same Procedure as every year
  • Vier Wochen vor Ablauf des Ausweises hatten wir einen freundlichen Brief von der Einwohnerkontrolle bekommen, wir möchten doch bitte einen neuen Ausweis beantragen. Das machten wir auch umgehend.

    Nach mehr als 3 Wochen kam ein weiterer Brief, diesmal direkt vom Migrationsamt in Zürich: Ich möchte doch bitte meinen Arbeitsvertrag (der ja dort eigentlich schon vorlag) sowie eine aktuelle Bestätigung meines Arbeitgebers, dass ich nach wie vor dort angestellt und nicht arbeitslos bin, schicken. Als ich daraufhin beim Migrationsamt anrief und nach dem Grund hierfür fragte, erhielt ich als Antwort, in einem Jahr könne sich ja viel ändern und ausserdem sehe es danach aus, dass wir nun (endlich) den B-Ausweis bekommen würden. Nach weiteren 5 (!) Wochen trafen die Ausweise ein – und die Enttäuschung war gross: wieder nur L-Ausweise für 364 Tage, wieder mussten wir pro Person 65 SFr bezahlen – und nächstes Jahr wird’s wohl wieder so sein.

    Während dieser 8 Wochen waren wir gänzlich ohne Ausweis, was ebenfalls zu interessanten Erfahrungen geführt hat. Ich wollte meinen deutschen Führerschein umschreiben lassen (4 Wochen vor Ablauf der 12-monatigen Frist). Dafür braucht man aber unbedingt das Original des Ausländerausweises, und den hatte ich ja schon bei der Einwohnerkontrolle abgegeben, Ich dachte, dass dieser schon noch bis zum Ablauf der Frist kommen würde. Tja, wie gesagt, so schnell sind sie auf dem Migrationsamt auch nicht. Das hat dazu geführt, dass ich 4 Wochen keinen gültigen Führerschein hatte…

    Diesen Rekord können wir toppen: Wir sind 6 Monate mit einem im Deutschland gemeldeten Auto, das bereits verzollt war, mit Deutschem Kennzeichen herumgefahren, ohne selbst an der Halteradresse noch gemeldet zu sein. Das sind so Lücken im Umzugswald.

  • Aus Deutschland einfach zu viele?
  • Jetzt kann man natürlich sagen: Ach ja, das geht ja allen Ausländern so. Eben nicht! Einer portugiesischen Kollegin und ebenso einem Kollegen aus China wurde sofort der B-Ausweis ausgestellt, obwohl beide nach mir in die Schweiz gezogen sind. Möglicherweise gibt es für die verschiedenen Länder feste Kontingente, und aus Deutschland sind einfach zu viele in die Schweiz gezügelt. Aber die kommen ja nicht, weil die Luft hier so gut ist, sondern weil hier offensichtlich ein Bedarf an den sog. High Potentials herrscht und offenbar sehr viele davon in Deutschland zu finden sind. Das weiss man dann aber und passt das Kontingent entsprechend an. Oder sind die 65 SFr pro Person gar eine nette Einnahmequelle?!? Mir ist klar, dass die Händler Gründe haben, warum sie so mit Saisonarbeitern verfahren.

  • Wer eine L-Ausweis hat, der ist gefährlich
  • Mich ärgert, dass aber alle L-Bürger über einen Kamm geschert werden und, dass man nur aufgrund dieses Stück Papiers als potentielle Bedrohung angesehen und wie oben geschrieben wie ein Gauner und Dieb behandelt wird. Und dass dies nur verhindert werden kann, in dem man bei jeder mittleren bis grösseren Anschaffung einer x-beliebigen Person lückenlose Auskunft über die finanziellen Verhältnisse gibt.

    So, viel Ärger, viel Text. Hab mich da wohl ein wenig rein gesteigert. Ich möchte aber anmerken, dass wir uns hier sehr wohl fühlen, wir keine Probleme mit unseren Schweizer Mitbürgern haben und wir uns superschnell sowohl an die Sprache (man hat Vorteile, wenn man aus dem Saarland kommt;-) ) als auch diverse Skurrilität gewöhnt haben. Würde mich aber mal interessieren, ob es weitere Leidgenossen bei den Eidgenossen gibt und vielleicht kann man daraus ja einen Blog machen.


    Hallo Schweiz.de
    ist vielleicht das richtige Forum für diese Erfahrungsberichte.

  • Rufen Sie doch einfach das Migrationsamt an!
  • Wollte dem Migrationsamt demnächst auch einen Brief zu dem Thema zukommen lassen. Keine Beschwerde, nur eine Schilderung des Ist-Zustands. Mal gespannt, ob was zurückkommt.

    Übrigens ist mir gerade eingefallen, dass mir die nette Dame vom Migrationsamt bei unserem Telefonat den Vorschlag gemacht hat, dass ja jeder, der ein Problem mit dem L-Ausweis hat, doch beim Migrationsamt anrufen könne und sich bestätigen lassen, dass das Kontingent ausgeschöpft sei. Prima Idee, oder?

    

    8 Responses to “Leben wie ein Saisonnier — Als Deutscher mit L-Ausweis unterwegs (2. Teil)”

    1. Stepas Says:

      Klingt ja furchtbar die Geschichte. Habe ich da was verpasst oder sind die Kontigente wieder eingeführt oder ist das gar eine alte Geschichte vor 2006?

    2. Mareike Says:

      hab da recht ähnliche erfahrungen gemacht… wurde auch zweimal auf den l-ausweis verwiesen, bevor endlich der b-ausweis kam… und auch die dinge mit anschaffungen und so kommen mir recht bekannt vor 😉

    3. Ric Says:

      Es kommen ja gar nicht viele Deutsche in die Schweiz, oder leben dort. Das fällt halt nur besonders auf weil ein Hannoveraner der nach München geht dort halt nicht als „Ausländer“ geführt ist und sich entsprechende Papier zulegen muss. In der Summe ist der Zuzug nach Bayern und Schwaben aber viel viel viel viel höher als in die Schweiz, und erst recht als nach Österreich.
      Im Grunde sind das alles furchtbare Anachronismen, auch wenn es einigen Lokalpatrioten und EU-Hassern nicht passen wird ist es Zeit dass die Schweiz zum EU Mitglied wird. De facto ist sie das durch diverse zwischenstaatliche Regelungen eh schon, und bei Handel und dergleichen so und so. Da ist die Schweiz keine „Insel“, bzw. war es nur solange das Ausland das wohlwollend „erlaubt“ bzw. hingenommen hat. Das Selbstverständnis der Neutralität als Synonym für Autarkie – im Sinne von die Schweiz BRAUCHT Europa nicht – war aber nie mehr als Selbstbetrug.
      Das hat nun dazu geführt dass die Schweiz zwar de facto Teil des EU Binnenmarktes ist, allerdings ohne jegliches Mitbestimmungsrecht. Was die Schweizer eigentlich doppelt ärgern müsste, denn kleine Länder haben in der EU ein überproportionales Stimmrecht. Auch nach dem Lissaboner Vertrag.

      Ich bin jedenfalls froh halber Ami und halber Bayern/Deutscher zu sein und überall zwischen San Francisco und Budapest leben zu können ohne mich mit mittelalterlichem Nationalgetümel und dem damit verbundenen Papierkram befassen zu müssen. Wenn mir Morgen einfällt dass ich in einem Waldarbeiterdorf in Minnesota oder in Nordschweden leben will dann ist die größte Sorge „Wie kriege ich mein geliebtes Kanapee dort hin?“.

      Wenn ich diesen Blogeintrag hier lese bin ich dankbar dafür dass es die EU gibt.
      Europa – in Vielfalt geeint

    4. Milosz Says:

      Zuercher du hast noch weniger Tassen im Schrank. Das mit der EU und der Schweiz ist reiner Bullshit und SVP Propaganda was du da verzählst. Es gibt keine Unverträglichkeit. Die EU ist pluralistisch, da macht jeder was er will und wie er will. Zudem geht mir das schon seit Ewigkeiten auf den Nerv mit, wir Schweizer sind die einzige Demokratie die stimmt alles andre ist falsch. Ja und die Erde ist flach wie ne Flunder. Mit diesem Schrott hört ihr euch jedesmal an wie Rom und der Papst. Die Demokratie in der Schweiz ist überhaupt nicht toller, besser, noch irgendwie demokratischer. Es weiss ja soweiso niemand eigentlich was Demokratie ist und das hat noch nie jemand gewusst, weil es überhaupt keine korrekte mathematische Definition dafür gibt. Zudem ist die Demokratie nicht auf Schweizer Mist gewachsen, sondern auf vielen tausenden Ideen in ganz Europa und ausserhalb. Wer was daraus gemacht hat ist ne andre Geschichte. Es liegt auch am Standort und am Glück, ob man verschont wurde von bestimmten Dingen. Wäre der erste oder der zweite Weltkrieg über die Schweiz gezogen sähe es ganz anders aus. Manchmal wünsche ich mir es wäre passiert, dann müsste ich nicht diese ewigen Diskussionen führen, wir sind die einzig wahre richtige Demokratie ja und die einzig wahre echte Kirche vielleicht auch noch usw.? Das mit der Gurkenkrümmung oder der Bananenkrümmung ist Bürokratie, so ein Firlefanz gibts in der Schweiz auch. Das ist aber nicht repräsentativ für die EU, sondern immer die Vorzeigeidiotie der EUskeptiker denen sonst nichts einfällt, weil sie kein wirkliches Argument gegen die EU haben. Die Schweiz und die Schweizer Wirtschaft wäre ohne die EU gar nicht mehr existent. Dann würde die Schweiz zur dritten Welt verkommen sorry.

    5. Milosz Says:

      Ja dann erklär mir mal was Demokratie ist und ich find dir genug Leute die dir was andres verzählen. Und dann soll man daraus schliessen können was das ist. Es gibt soviel unterschiedliches Demokratieverständnis, das glaubst du gar nicht. Es gibt nicht nur die Schweizer Demokratie, es gibt einen haufen Länder wo sich als Demokratien bezeichnen und ein total andres System zur Schweiz haben. Und jeder von denen erzählt das gleiche wie die Schweiz, wir sind ein Rechtsstaat wir haben eine Demokratie, ahja und die andren? Ich halt das inzwischen eh alles für Banane und Lachhaft was jedes Land einem auftischt. Ich habe das ganze inzwischen satt und mir gehts auf die Nerven. Ich kann an jedem Land und seiner Demokratie Rosinen die toll sind rauspicken, gleichzeitig kann ich an jeder Demokratie auch die Mängel rauspicken und von denen gibts auch in der Schweiz genug. Inzwischen halte ich die Demokratie für Selbstgerecht wie die Justiz und bezweifle, dass das gut ist. Demokratie ist ein nicht zu verwirklichender Traum, dem wir schon lange hinterherlaufen. Tja ob das gut ist, ist wohl jedem selbst überlassen es ist nicht beantwortbar deswegen nicht definierbar

    6. Milosz Says:

      «Das grösste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit einem durchschnittlichen Wähler.» Churchill.
      Die idealste Form hat die Schweiz nicht davon träumt die Schweiz und viele ihrer Anhänger. Die andren Demokratien sind auch nicht ideal und es gibt keine idealste Form der Demokratie, das ist leider nur Propaganda. Nur weil irgendwelche Leute ein Stadion verhindern das ich nicht lache. Dafür wird vieles andre in der Schweiz nicht verhindert.

    7. Milosz Says:

      Was heisst hier besitzlos? Ich besitze genug, bin damit zufrieden und es wird mir zur Zeit nichts vom Staat weggenommen. Weisst du was Menschen wie du oft nicht verstehen ist, wenn sie sich an ihr System gewöhnen meinen sie es sei das beste, unschlagbarste und alles andere sei Schund. Weisst du ich habe mich auch an die polnischen Würstchen gewöhnt und die schmecken mir viel besser als die Schweizer Cervelat na und?
      Ich bin jetzt sicher keiner der dummen Deutschen die nur rummault, ohje wir dürfen nicht mitbestimmen, plär plär, das ist in der Schweiz viel besser geregelt. Nein das tu ich nicht, weil es niemandem nützt, mir nichts dir nichts sonst niemanden. Wenn du etwas erreichen willst kannst du es so lang das Schicksal mitspielt in jedem demokratisch politischen System. Zudem hat der Schweizer Staat auch seine Problemchen mit seinem System. Wo stellen wir denn unseren Radioaktiven Müll ab? Hmm die sind dagegen die sind dagegen, irgendwann wird das zwangsentschieden, weil es nicht anders geht und da kann man direktdemokratisch entscheiden was man will. Und ich möchte darauf hinweisen, dass es keine halbe Demokratie gibt, das ist deine Definition. Ich bleibe weiter skeptisch mit allen Demokratien, weil ich in keiner ein gute Lösung für die ganzen Globalisierungsprobleme die wir jetzt am Hut haben sehe. Eure ist auch keine Lösung, sonst ginge es euch tasendmal besser als allen andren und alle würden das System kopieren, weil es das beste ist. In der Wissenschaft ist das so, wenn einer einen viel besseren Weg beschreitet dann ziehen alle andren mit und arbeiten an diesem weiter.

    8. Milosz Says:

      Es heisst immer noch Kotzgugge bei uns hier auch. Zudem schiessen mir überhaupt keine Würstchen durch. Nur des öfteren machen sie mich rasend mit ihrem selbstverliebten wir sind Demokratie alle andren nicht. Als ob jemals sich die Menschen je geeinigt hätten, ja ihr Schweizer macht es richtig alles andre sei falsch. Ich respektiere jeden der seinen Staat kritisch sieht, seine Demokratie auch und nicht nur die ganze Zeit auf andre mit den Fingern zeigt und sich jedesmal erbost, wenn andre auf ihn mit Finger zeigen. Schon der liebe Jesus hat mal schlau gesagt wer ohne Sünde ist solle als erster werfen. Heutzutage habe ich das Gefühl das sich die Leute das gar nicht überlegen würden und trotzdem sofort mit Steinen werfen.