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Haben Sie auch schon Sukkurs erhalten? — Wenn Fruchtbonbons nicht aus dem Lateinischen sind

(reload vom 28.03.08)

  • Sugus ist nicht Sukkurs
  • Vor ca. 30 Jahren machte die Schweizer Firma Suchard im Deutschen Fernsehen Werbung für ihre Bonbons mit einem flotten Song, dessen Bekanntheit heutzutage bei „BiVies“ (= bis vierzig Jahre alten Menschen) nicht mehr vorausgesetzt werden kann, da muss man schon die „UHus“ (= unter Hundert Jährigen) fragen:

    Es gibt ein neues Fruchtbonbon
    Sugus von Suchard
    Brave Kinder kennen’s schon
    es schmeckt wunderbar
    Sugus Sugus, Sugus von Suchard

    Der Song wurde auch auf Spanisch als „Caramelos Sugus de Suchard“ in Spanien bekannt.
    Es gibt eine neues Fruchtbonbon
    An diese Werbung mussten wir denken, als wir zum ersten Mal in der Zeitung vom „Sukkurs“ lasen:
    Sukkurs erhalten
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 11.03.06 S. 15)

    Wir glaubten, hier werden Bonbons verteilt durch Luzi Stamm, denn wie man „Sugus“ schreibt, das war uns nicht mehr gewärtig.
    Dieser Ausschnitt aus dem Tages-Anzeiger bringt zum einen schöne Beispiele für Schweizer Schriftdeutsch wie „Sukkurs“ und „orten“, zum anderen wird tatsächlich in wörtlicher Rede eine Schweizerdeutsche Aussage wiedergegeben.:

    „Das Züüg isch materiell falsch“

    Wir wissen nicht, welche geheime Strategie dahinter steht. Vielleicht gehört es sich so, dass ein Nationalrat nur auf Höchstalemannisch zitiert werden darf, weil er sonst nicht deutlich genug seine Volksverbundenheit zum Ausdruck bringen kann?

    Doch nehmen wir jetzt „für einmal“ Rekurs zum Sukkurs. Er findet sich bei Google-Schweiz 2’200 Belege dafür, gern auch in der Kombination mit „hoffen auf Sukkurs“ oder „Sukkurs erhalten“.

    Auf Webseiten aus Deutschland finden wir hingegen nur 526 Belege, die entweder aus Schweizer Quellen (z. B. NZZ.de) stammen, in Mundart geschrieben sind (schwäbisches Dialektstück beim Projekt Gutenberg) , oder sich betont wissenschaftlich auch sonst mit zahlreichen Fremdwörter schmücken. Beispiel:

    Einerseits rief das Plenum die Parteimitglieder dazu auf, «veraltete Denkformen und marxistische Dogmen» fallenzulassen und sich von den Fesseln des «Subjektivismus und der Metaphysik» zu befreien, was mit etwas gutem Willen als impliziter Sukkurs für Jiangs Bestreben verstanden werden kann, (…)
    (Quelle: akidojournal.de)

  • Was bedeutet eigentlich Sukkurs
  • Laut Duden heisst Sukkurs:

    Suk|ku.rs, der; -es, -e
    [a: mlat. succursus, zu lat. succursum,
    2. Part. von: succurrere = helfen] (bes. Milit. veraltet):
    a) Hilfe, Unterstützung, Verstärkung;
    b) Gruppe von Personen, Einheit, die als Verstärkung, zur Unterstützung eingesetzt ist:
    „Bin hinauf bis nach Temeswar gekommen mit den Bagagewagen, … zog mit dem Sukkurs vor Mantua“ (Schiller, Wallensteins Lager 5).

    Ein lateinisches Fremdwort, noch dazu aus der Militärsprache, in der Schweiz absolut normal und gebräuchlich im Alltag. Das sollten Sie kennen und verstehen, wenn Sie hier leben und Zeitung lesen wollen. Es ist die Mischung dieser Sprachebenen, die uns beim Tages-Anzeiger am meisten fasziniert: Fremdwörter lateinischen Ursprungs neben Fachwörter der Soziologie (orten, verorten) neben geschriebenem Höchstalemannisch: Das gibt ordentlich was her und hält die kleinen grauen Zellen fit!

    

    3 Responses to “Haben Sie auch schon Sukkurs erhalten? — Wenn Fruchtbonbons nicht aus dem Lateinischen sind”

    1. Phipu Says:

      Ich bin BiVie und mag mich noch an eine Werbemusik aus grauer Vergangenheit erinnern, deren Text lautete „Sugus, Sugus, das echte Fruchtcaramel“. War dieser Text in Deutschland auch bekannt? Mir schien damals der Ausdruck „Karamel“ so deutsch, da in der Schweiz die Bonbons nicht so genannt werden, ausser sie hätten wirklich den Geschmack von erhitztem Zucker (wie CH: Micamu*, DE: Werthers Echte). Oder war das wohl doch eher ein schweiztypischer Kompromiss um auf Hochdeutsch alle regional unterschiedlichen Dialektausdrücke (Zältli, Täfeli, Gutzi, Zückerli etc.) unter einen Hut zu bringen?
      Siehe http://www.blogwiese.ch/archives/279

      *Linksuche erfolglos, ausser hier: http://www.verlagzkm.ch/SOSo_Krimi_200408-Teil11.pdf (oben links)

    2. cocomere Says:

      Heissen Helvetismen nun „geschriebenes Höchstalemanisch“?

    3. Georges Says:

      vor 30 Jahren haben wir das so gesungen:

      es gibt ein neues Fruchtbonbon
      Nitroglycerin
      Tote Kinder wissen schon
      es schmeckt nach Benzin
      nitro nitro nitroglycerin