Mittagessen um 11.00 Uhr — Arbeiten in Norwegen (Teil 1 von 2)
Zurzeit bin ich beruflich unter der Woche in Norwegen. Ich „commute“, wie man im angelsächsischen Sprachraum für „pendeln“ sagt. Montags früh mit dem Flieger nach Oslo, und am Freitagabend wieder zurück nach Zürich. Da Bülach gleich beim Flughafen Kloten liegt, beträgt die Reisezeit von Haus zu Haus nicht mehr als zu einem Kunden nach Genf, auch wenn es 1‘400 KM weiter sind als bis ans andere Ende der Westschweiz. „To commute“ heisst auch „umwandeln“, und ich fühle mich stets wie umgewandelt, wenn die Arbeit in Oslo beginnt. Viele Kollegen fahren dort auch bei Schnee und Eis mit dem Velo zur Arbeit, und lassen die sperrigen Fahrradschlösser gleich am überdachten Fahrradständer, anstatt sie täglich mit nach Hause zu schleppen, denn dort kommt das Velo in die Garage und muss nicht abgeschlossen werden. An der Garderobe werden die Schuhe gewechselt. Viele Paare von warmen Winterstiefeln werden in bequeme Büro-Schuhe umgetauscht, aber in Pantoffeln habe ich dennoch niemanden dort rumlaufen sehen.
Während in Deutschland Punkt 9:30 Uhr der gemeine Beamte den Stift fallen lässt, sich die Kaffetasse schnappt um zur Kantine zu schlurfen, und in der Schweiz das „z’Nüni“ pünktlich um 10:00 Uhr ansteht, fällt diese kleine Frühstückspause in Norwegen aus, denn dazu ist morgens keine Zeit. Vielleicht liegt der Ausfall der Kaffeepause ja auch an der grausam schlechten Qualität des norwegischen Büro-Kaffees, der wahrscheinlich noch in Amerika besser schmecken dürfte. So etwas wie eine Saeco, Jura oder Lavazza Espresso Kaffemaschine scheint es nicht zu geben.
Um Punkt 11:00 Uhr hören alle auf zu arbeiten und gehen zum Mittagessen in die preisgünstige Kantine. Haben Sie schon mal um 11:00 Uhr zu Mittag gegessen? Selbst im Krankenhaus oder im Altersheim ist 11:30 Uhr die frühste Zeit, und in der Westschweiz öffnet keine Kantine vor 12:00 Uhr. In Oslo öffnet die Mittagskantine bereits um 10:00 Uhr ihre Kassen. Um 11:30 Uhr ist das Essen schon wieder vorbei, und es wird fleissig und konzentriert weitergearbeitet. Allerdings nur bis um 16:00 Uhr, denn dann ist Feierabend und die meisten brechen auf nach Hause, oder gehen noch ins Fitnesscenter, wo die Kurse um 16:15 Uhr beginnen, zu einem Zeitpunkt, an dem man sich in der Schweiz noch lange nicht traut, an die Heimfahrt zu denken. In der Schweiz muss ein schlechtes Gewissen oder eine gute Ausrede haben, wer sich schon vor 18:00 Uhr auf den Heimweg macht. Wer in der Schweiz um 17:00 Uhr geht hat dafür sicher auch um 7:30 Uhr oder noch früher zu arbeiten begonnen.
(2. Teil morgen: Beim „MageRygg“ Training wird der Magen trainiert)
Februar 10th, 2009 at 9:30
hallo jens: Kaffee in Norwegen. wahrscheinlich hast du schon lange keinen deutschen autobahnraststättenkaffee mehr „genossen“. ich optiere bei derartigen gelegenheiten jeweils für mineralwasser.
[Antwort Admin: Oh, ist das auch so ein edles Gebräu, das morgens um 7:00 Uhr in 20 Liter Kannen (durch den Filter gejagt) bereit gestellt wird, garantiert schön heiss und mit null Aroma, bis spät in die Nacht im Angebot? ]
Februar 10th, 2009 at 10:23
Ihr habt schon lange keinen Espresso mehr an einer der Raststätten der Autobahn Basel-Frankfurt getrunken, oder? Alles erstklassiger Kaffee aus der Espressomaschine. Oder hab ich nur Glück gehabt?
Februar 10th, 2009 at 12:21
Das ist auch so was komisches: Anwesensheitzeit sagt absolut nichts über die Produktivität aus. So trödeln wohl zigtausende schweizer Büroarbeiter etwas rum, damit es aussieht als wäre man wahnsinnig beschäftigt und tüchtig, weil man als letzter geht. Traurige Schleimscheisserwelt.
Februar 10th, 2009 at 13:30
Ich habe mal ein Praktikum in einer norwegischen Schule gemacht, da liefen einige Lehrer durchaus in Schlappen rum. Was auffiel, war die Ausstattung der Schule. Riesige Klassenzimmer und für die Lehrer extra noch ein Raum zum Essen und Feiern.
Februar 10th, 2009 at 13:52
Kein guter Kaffee? Die Norweger sollen doch die besten „baristas“ haben…
Februar 10th, 2009 at 14:06
ja die präsenzzeiten in der schweiz sind lange..heisst aber nicht das wir deswegen produktiver sind in der schweiz!
Februar 10th, 2009 at 17:21
… längere Präsenzzeiten bedeutet aber auch nicht, dass wir deswegen weniger produktiv sind. Leider gibts überall Schnarchsocken aber gottseidank auch fleissige Bienchen.
Februar 10th, 2009 at 19:35
@Thomas:
Das mit den langen Bürozeiten hat krasse Auswirkungen, auch in Deutschland. Dadurch wird Bore-out verursacht, was von der Leidensgeschichte her durchaus mit Burn-out zu tun hat.
Februar 10th, 2009 at 20:22
„z’Nüni“? habe ich richtig gelesen? Znüni ist doch ein eigenes Wort. Schöne Grüsse Stella
Februar 11th, 2009 at 8:14
@Simone: ich bin nicht so Bore- und Burn-Out Fan, auch wenn es solche Krankheitsbilder sicher gibt. Ist in meinen Augen auch einfach ne Modeerscheinung und schlicht und einfach ein Zeichen unseres Wohlstandes (ein Burnout-Bauer im 16. Jh. ist einfach verhungert). Gegen Boreout gibts was einfaches, einfach wieder Facebook-Zugriffe im Unternehemn zulassen. 🙂
Februar 11th, 2009 at 22:40
@Thomas:
Im 16. Jahrhundert lebte es sich anders, da starb man auch noch an einer Blinddarmentzündung. Ich gehöre zu den Idealisten, die weiterhin daran festhalten, dass Arbeit schlichtweg anders verteilt werden muss. Dann bräuchte es auch kein Facebook und keine Blogs…