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Schaden nehmen durch Hochdeutsch — Erkenntnisse aus Basel

  • Ein Kindergärtner ist kein Kindergärtler
  • Der Tagesanzeiger berichtete am 12.12.08 über das Ergebnis einer Begleitstudie zur Frage, welche Auswirkungen der Gebrauch von Hochdeutsch im Kindergarten haben kann. Was in Deutschland als „Kindergartenkind“ bezeichnet wird nennt man in der Schweiz pragmatisch praktisch „Kindergärtler“, nicht zu verwechseln mit einem „Kindergärtner“, der ist heute ein „Erzieher“ bzw. in den meisten Fällen eine Erzieherin:

    Hochdeutsch im Kindergarten bereitet den Kindern keine Mühe Unterricht in Hochdeutsch wirkt sich positiv auf Kindergärtler aus. Dies zeigen Befragungen von Eltern und Lehrerinnen in Basel. Die Zürcher Mundart-Initianten zeigen sich skeptisch.
    (…)
    Basel Mädchen und Buben in der Deutschschweiz nehmen keinen Schaden, wenn im Kindergarten Hochdeutsch gesprochen wird. Dies findet ihr Umfeld.
    (Quelle für alle Zitate: Tagesanzeiger vom 12.12.08, S. 1)

    Sie nehmen wirklich keinen Schaden? Es hat keine negativen Auswirkungen auf das Hirn, die Denkfähigkeit, den allgemeinen Gefühlszustand oder gar das Liebesleben wenn man im Alltag Hochdeutsch spricht? Wie erklärt sich sonst die leidende Miene im Gesicht vieler Kinder, wenn sie diese Sprache sprechen müssen? Es muss doch einfach am Hochdeutschen liegen, das Schäden verursacht.

  • Wie geht man natürlich mit einer Sprache um?
  • Eltern und Kindergärtnerinnen sagen, dass die Kleinen davon profitierten: Sie gingen schon nach kurzer Zeit «natürlich» mit der Schriftsprache um. Dies ergab die Evaluation eines zweijährigen Versuchs an 31 Kindergärten im Kanton Basel-Stadt.

    Was heisst „natürlicher Umgang“ mit Schriftsprache? Schreiben können sie in diesem zarten Alter noch nicht. Heisst das wohlmöglich, sie „sprechen“ diese „Schrift“-Sprache? Und das auch noch ganz „natürlich“? Ohne dabei Schaden zu nehmen. Da muss was faul sein an dieser Studie.

  • Wissen Eltern ob Kinder überfordert sind?
  • 80 Prozent der Väter, Mütter und der beteiligten Lehrerinnen beurteilten die Einführung von Hochdeutsch in weiten Teilen des Unterrichts als positiv für die Kinder. Davon profitierten laut der Begleitstudie vor allem fremdsprachige Kinder. Die grosse Mehrheit der Befragten erklärte, sie hätten ihre Kinder nicht als überfordert erlebt. Sie teilten auch die Befürchtung nicht, dass durch die Massnahme der Dialekt verkümmere.

    Keine Überforderung? Aber Schriftsprache zu sprechen ist doch brutal anstrengend.

    Die meisten Deutschschweizer Kantone wollen mit mehr Hochdeutsch im Kindergarten die Leseschwäche vieler Schüler bekämpfen. Im Kanton Zürich schreibt der Lehrplan für den Kindergarten seit diesem Schuljahr vor, dass minimal in einem Drittel und maximal in zwei Drittel der Unterrichtszeit Hochdeutsch gesprochen wird.
    Die Volksinitiative «Ja zur Mundart im Kindergarten» will diese Bestimmung rückgängig machen. Initiantin Gabi Fink nimmt die Ergebnisse der Basler Evaluationen «skeptisch zur Kenntnis»: «Wenn Eltern sagen, dass ihr Kind nicht überfordert gewesen sei, ist das mit Vorbehalt zu geniessen.» Die Auswirkungen auf die Sprachentwicklung müssten Fachleute beurteilen. Die Zürcher Bildungsdirektorin Regine Aeppli wollte zur Basler Untersuchung keine Stellung nehmen.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 12.12.08)

    Eltern haben keine Ahnung, wann ihre Kinder überfordert oder nicht sind. Hochdeutsch überfordert, das muss auch bei den Kindern so sein, sonst stimmt was nicht im Weltbild. Wann wird endlich dieses schrecklich anstrengende und überfordernde Hochdeutsch der Kindersendungen auf ARD und ZDF in der Schweiz durch synchronisierte, Mundart fördernde Versionen ersetzt?

    

    31 Responses to “Schaden nehmen durch Hochdeutsch — Erkenntnisse aus Basel”

    1. Thomas Says:

      Man koennte sich aber auch ernsthaft fragen, ob man diese grossartige Fähigkeit von Kindern, relativ einfach neue Sachen zu lernen, wirklich damit ‚verschwenden‘ will, die quasi-Muttersprache zu lernen. Könnte es nicht sinnvoller sein, eine Fremdsprache zu lernen?
      @Jens: War übrigens gerade 2 Tage in Berlin. Spannend wie Deutsch tönen kann. Aber was ich gefunden habe, hat mich schockiert. Auf Schildern steht nicht Strassenbahn, sondern Tram!! Kann mir det jemand erklären?

      [Anmerkung Admin: Ca. 5000 Schweizer leben in Berlin. Nur die Touristen fahren Strassenbahn. Vielleicht ist das eine touristische Anpassungsmassnahme? ]

    2. Simone Says:

      Wenn Hochdeutschlernen in Baseler Kindergärten, aber eben nur dort, so toll funktioniert, dann plädiere ich im komplett deutschschweizer Raum dafür, dass auch Kindergärten für Erwachsene eingeführt werden.

    3. Schoggistaengel Says:

      Also das mit dem Schaden am Liebesleben müssten Sie besser beurteilen können, werter Herr Wiese.

    4. Georges Says:

      Im Tagesanzeiger war kürzlich ein Leserbrief, wo sich jemand darüber entsetzt hat, dass Kinder auf dem Spielplatz heutzutage hochdeutsch miteinander reden.
      Ich habe zwei Expertinnen (Nina, 11 und Sara, 9) dazu befragt. Diese haben mich darüber aufgeklärt, dass man bei Rollenspielen natürlich hochdeutsch spricht. Zu Hause habe ich davon aber gar nichts bemerkt, beide sprechen breitestes Zürideutsch.
      Ich gehe davon aus, dass die meisten Kinder problemlos zwischen CH-Deutsch und D-Deutsch wechseln können.
      Hingegen haben beide Kinder deutlich mehr Mühe, in der Schule Frühfranzösich und Frühenglisch zu lernen. Im Gegensatz zum Hochdeutschen können diese Sprachen eben nicht für Rollenspiele verwendet werden, weil der Wortschatz fehlt.

    5. Tinu Says:

      Das Schriftdeutsch ist wie der Name klar zum Ausdruck bringt eine Schriftsprache, welche ja somit zum schreiben benutzt werden sollte und nicht zum sprechen! Ist eigentlich logisch, oder?

    6. Sonne Says:

      Zitat Thomas: Aber was ich gefunden habe, hat mich schockiert. Auf Schildern steht nicht Strassenbahn, sondern Tram!! Kann mir det jemand erklären?

      Dazu ein Erklärungsversuch der Freunde des Münchner Trambahnmuseums: Warum die Strassenbahn Trambahn heisst

    7. Mario Says:

      Meine Kinder halten auch zu Hause ihre Rollenspiele oft in Hochdeutsch ab. Und wir haben das vor knapp 25 Jahren genauso gemacht.
      Die Person die da so entsetzt einen negativen Einfluss „der Deutschen“ festzustellen glaubt war wohl schon lange nicht mehr Kind…

    8. Lukas Says:

      Hochdeutsch von früh auf zu lernen (in der deutschsprachigen Schweiz) sollte selbstverständlich sein. Dem typischen Basler Dialekt kann man eh nicht wiederstehen und wird ihn sich so oder so zulegen.

    9. Simone Says:

      @Tinu:
      Die Aufgabe des Kindergartens besteht u.a. darin, die Kinder auf den Ernst des Lebens vorzubereiten. In der Schweiz ist das nicht nur die Schule, sondern auch der Umstand, dass eine andere Sprache gesprochen wird, als geschrieben. Ich würde also vorschlagen, Schriftdeutsch auch als geschriebene Sprache wieder abzuschaffen :-). Sicher finde ich viele Befürworter,

    10. Chrigel Says:

      „Ich habe zwei Expertinnen (Nina, 11 und Sara, 9) dazu befragt. Diese haben mich darüber aufgeklärt, dass man bei Rollenspielen natürlich hochdeutsch spricht.“ Und das war vor 20 Jahren, als ich noch zu den Experten gehörte, auch nicht anders.

      Es zeigt mir, dass Dogmatiker, welche Hochdeutsch völlig aus dem Kindergarten verbannen wollen, ebenso neben den Schuhen stehen, wie jene, die gar in der Turnstunde Hochdeutsch sprechen lassen wollen.

    11. AnFra Says:

      @Thomas und @Sonne

      Die Frage hat @Thomas schon gut gelöst, aber es bleiben noch einige Kleinigkeiten offen.

      Die Entwicklung der „railway“ kann auf die mittelalterliche Zuwanderung mitteleuropäischer Bergleute nach England zurückgeführt werden. Der Begriff „railway“ kann sprachlich und sinninhaltlich mit dem dt. „Riegelweg“ (Knüppelweg, Holzweg, Dammweg) übersetzt werden. Begriff „railway“ hat seinen Ursprung im mhd. „rick“ für ein Querholz hat. Diese Querhölzer wurden in den wasserführenden Bergwerkssohlen im rechten Winkel zur Zugrichtung gelegt, damit damals die mit Aufräummaterial beladenen Schlitten (!) herausgezogen werden konnten. Diese Schlitten und später auch die Rollwagen wurden „Hunde“ genannt, weil tatsächlich diese damals durch Hunde (und / oder auch Kinder!!!) gezogen wurden. Später im 18. bis 20. JH wurden in England die Isländer-Pferde dafür verwendet. D.h.: Der Riegel / rail ist das Querholz, also die heutige „Schwelle“.

      Die Entwicklung der „Trambahn“ kann auf das mhd. „tram, dram, dra“ zurückgeführt werden. Der Balken, welcher in großen Räumen als horizontal angebrachte Feldunterstützung verwendet wird und der oft durch eine im Raum platzierte Stütze statisch gesichert wird, nennt man „Trambalken, Tramholz“.

      Die Ableitung des Begriffes „Tram“ auf die ersten Straßengefährte ist dadurch möglich, weil für die hölzernen Schienen, welche zunächst als Hohlschienen / Kastenschienen ausgebildet wurden, eben solche langen, geraden und statisch sicheren „Tramhözer“ verwendet wurden. Auch nach der Umstellung von der Hohlschiene auf die zunächst auch noch hölzernen, aber dann schmiedeeisernen Schienen blieb halt die Bezeichnung immer noch: Eben die „Tram“. D
      ie Straßenbahnen wurden durch Pferde gezogen, aber auch wurden dampfbetriebene Straßenbahnen und nach der Erfindung durch Siemens dann überwiegend als E-Straßenbahnen eingesetzt. Aber die Bezeichnung blieb: Die „Tram“.

      Die Verwirrung der Begriff „railway“ und „Tram“ nachvollziehbar, aber der „Riegel / rail“ ist technisch gesehen die „Schwelle“, das Querholz und die „Trame“ die „Schiene“.
      Der Begriff „railway“ ist der ältere und „Tram“ der jüngere Begriff, da man diese Entwicklung im Bergbau an dem 13. JH ansetzen kann und die Straßenbahn ist m.E. ab dem 18. JH anzusetzen.

      Dies lässt sich etymologisch, hermeneutisch und technikgeschichtlich recht sicher ableiten.

    12. Simone Says:

      @Chrigel:
      Es sein an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass Sport der Integration in jeder Hinsicht dient und es gerade in diesem Fach um eine andere Form der Kommunikation geht.

    13. Brun(o)egg Says:

      Die ganzen Diskussionen sind lachhaft. Schon vor über 50 Jahre – ja ich bin ein alter Sack -, haben wir im Kindergarten Hochdeutsch gesprochen. Ohne Fernsehen, ohne hochdeutsches Radio. Die Uhr wurde dann zur Auer – irgendwire muss ja anderst sein, nichtwahr -, und Hochdeutsch wurde, – ohne Witz -, zu Hauchdeutsch. Meine Mutter hat mich dann aufgeklärt, dass es Wörter gibt die sich nicht verändern.

      Also was soll das ganze Getue von Eltern und Lehrern die sich soweit vom Kindsein entfernt haben und alles nur noch auf einer intelektuellen Basis beurteilen können.
      Kinder sind cleverer.

    14. neuromat Says:

      Das Problem liegt wieder einmal ganz woanders. Aber wer sagt uns denn, dass Probleme liegen können, vielleicht sitzen oder stehen sie auch. Auf jeden Fall scheinen sie es sich bequem zu machen.

      Das eigentliche Problem ist, dass in Zürich kein einzige Kindergärtnerin wirklich „deutsch“ unterrichten könnte. Aber Hand aufs Herz (falsche Seite – Mitte links!!) wer kennt schon Kollektivaffixoide. Da denkt doch jeder an Chemie(zeug). Und richtig „-zeug“ ist hier der Kollektivaffixoid, sowie kram in Papierkram – hat tatsächlich was mit Verbindung zu tun.

      Die kleinen Gören können das alles ganz instinktiv. Ausserdem haben die auch nicht diesen tragischen (dies ist wirkliche Tragik Herr Girardet) äh bäh ist ja „deutsch“ Abwehrreflex in sich und wurden auch noch eidgenössisch diplomierend oder eher plombierend geschult und endgültig eingesteift.

      Jetzt können die also schneller und besser Deutsch als ihre Gärtnerinnen. Und das darf nicht sein. Als in den siebziger Jahren die Italiener in der Schweiz so viel lustige Dinge erleben durften und ausgelassene Italianita durch die Zürcher Strassen schwappte, da durften die „Spaghettis“ fast alles. Also mal abgesehen davon, dass sie nach Feierabend und am Wochenende nicht unbedingt auf die Strasse sollten, daheim nicht zu viel Knoblauch essen durften und nicht zu laut Musik hörten, wirklich fast alles. Nur eines sollten sie nie, aber auch niemals tun:

      Irgendetwas besser, schneller oder schöner machen, als ein helvetischer Ureinwohner, der wahrscheinlich in zweiter Generation von einem Deutschen abstammte und eine französische Mutter hatte. Das, also das wäre zuviel des Guten und ist es auch noch heute.

      Da liegt der „Hase im Pfeffer“ (kleine Hommage an Anfra, mit neur Aufgabe). Nicht auszudenken, Frau Hausschuh, äh, Frau Fink, vögelt äh spricht immer noch umständlich krächzend während die Kleinen bereits ihre Rollenspiele in Berliner, Hamburger und Ruhrpott Dialekttönungen von sich geben.

      Ganz nebenbei: Das Basler Projekt stammt aus dem Jahre 2002:

      http://www.sprachkreis-deutsch.ch/index___id%3Daktuelles!artikel&year%3D2002&artikel%3D2168.html

      In diesem Zusammenhang spricht der Schweizerische Sprachkreis Deutsch eindeutig von wissenschaftlichen Ergebnissen.

      Ich habe die Sache nie weiter verfolgt, weil meine persönliche Einstellung eine andere ist:
      Sprecht Dialekt im Kindergarten, zögert den Spracherwerb etwas hinaus, macht früh das Licht aus und haut Euch bei jeder Gelegenheit ziemlich viel Böller um die Ohren, geht Alphornblasen und Schwingen – den Rest machen wir dann 😉 … die meisten werden wissen, wie das gemeint ist.

    15. Silvio Says:

      Ich glaube ja auch nicht, dass man Schaden nimmt durch Hochdeutsch, jedoch denke ich, ist die Pflege der eigenen Sprache und Kultur eine wichtige Sache. Über die Sprache identifiziert man sich, die Sprache ist das wichtigste Gut des Menschen. Es ist schon wichtig früh und gut Deutsch zu lernen, aber die Mundart darf nicht verloren gehen und sollte auch gepflegt werden, auch in den Kindergärten und Schulen. Es gibt nämlich nichts schlimmeres als ein Schweizer- (Züri-)Deutscher Satz der mit Hochdeutschen Wörtern gespickt ist. Auf Schweizerdeutsch heisste es eben Geiss und nicht Ziege, Binätsch nicht Spinat, vill nicht oft, Ross und nicht Pferd (alles Zürichdeutsch)

    16. Bülacheraner Says:

      Zu diesem Thema kann man auch einfach die Schweizer Verfassung zitieren:

      Art. 4 Landessprachen
      Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
      Link: http://www.admin.ch/ch/d/sr/101/index.html

    17. roko Says:

      Ich glaube der Vorteil liegt darin dass die Kinder „Hochdeutsch“ spielerisch lernen und so später in der Schule weniger Mühe haben schreiben zu lernen.
      Das ist zumindest die Theorie. Wenn man dann aber die Erzieherinnen „hochdeutsch“ sprechen hört will ich nicht mehr daran glauben dass es viel bringt 🙂

      Und ja ich habe auch schon von Kindern gehört die grosse Mühe haben wenn ein Elternteil Dialekt und der Andere hochdeutsch spricht. Das mag zwar nicht für ein begabtes oder sehr kluges Kind zutreffen, aber manche Kinder haben eben auch Schwächen. Daher finde ich es schade wenn man diesen Punkt ins Lächerliche ziehen würde. Damit wäre niemanden geholfen.

    18. Michael Says:

      Die Schweizer haben hier einfach eine Eigenart. Aus welchen Gründen auch immer, keine Ahnung.
      Weder wir Bayern die ja eigentlich für Extrawürste legendär sind, noch die Österreicher haben da eine so scharfe Trennung im normalen Alltagsleben zwischen Hochdeutsch als Schrift- und Amtssprache und Mundart als „Sprache des Herzens“.
      Ich sprech selber Mundart weil ich gar nichts anderes wirklich kann. Meinen Akzent würde ich nie loswerden können oder wollen und gewisse standarddeutsche Aussprachenormen von Begriffen gehen mir einfach nicht über die Lippen weil ich mir unglaublich dämlich dabei vorkomme (eine Chance ist halt keine „Schangse“ sondern eine „Schoos“).
      Nun bin ich ein Bayer und kann mit dem Spott der Preußen leben, genauer gesagt schert er mich nicht. Aber ich hab noch nie erlebt dass hier so ein Aufhebens gemacht wurde ob jetzt einer Hochdeutsch redet oder nicht. Das ist kein sympathischer Wesenszug der Schweizer.

    19. Bülacheraner Says:

      @Michael: Im Rest von Deutschland kannst du Chance aber auch „Schoos“ aussprechen. Ist mir nicht geläufig, dass alle „Schangse“ sagen würden. Ansonsten stimme ich dir zu.

      Michael Mittermeier bringt das Thema gut auf einen Punkt:

      „Sprache ist nicht immer nur der Dialekt, manchmal geht’s auch um den Inhalt“.

      (aus „Safari – Swiss Edition“, Track: „Buddha und das Glücksröhrli“)

    20. neuromat Says:

      das ist eben ein weiterer Punkt: … darf nicht verloren gehen…

      Zeppeline auch nicht. Hätte die Swissair einen gehabt, wäre es nie zur Pleite gekommen.

      Und auch nicht die Perücken der altehrwürdigen englischen Richter, die diese ab Oktober abgelegt haben. Und was passiert? Ganz England verrottet und vermodert. Die Rechtsprechung nur noch ein einzig zerlumptes Gebilde.

      Was ist aus der Kultur nur geworden. Zwölftonmusik! Ein abgrundtiefer Frevel. Wo sind die Klänge des Barock. Hingerafft. Statt dessen Polo Hofer.

      Noch lebende natürliche Sprachen befinden sich – das ist schon so ein Allgemeinplatz, dass es fast weh tut, ihn zu schreiben – im Wandel. Aber irgendwie verbinden viele mit Sprachwandel nur schreckliche Dinge. Mindestens aber den Niedergang der gesamten Kultur.

      Und: „Es gibt nämlich nichts schlimmeres als ein Schweizer- (Züri-)Deutscher Satz der mit Hochdeutschen Wörtern gespickt ist.“

      Doch gibt es: Schweizer- (Züri-)Deutscher Satz der mit Baseldeutschen Wörtern gespickt ist und von einem Welschen Berndeutsch ausgesprochen wird. Das ist dann das Ende. Schlimmer, als auf einem Kuhfladen auszurutschen und mit dem Gesicht ungebremst in einem anderen zu landen.

      Sprachpurismus ist eigentlich eine zutiefst deutsche Eigenart. Kommt aber im deutschen Fernsehen nicht vor und ist daher hierzulande unbekannt. Ganze Kolonnen von Zurückdeutschungen wurden entwickelt, um dem bösen Zerfall der Sprache Einhalt zu gebieten. Der aktivste Verdeutscher war ein gewisser Joachim Heinrich Campe. („Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke“) Da wurde nichts draus. Und Deutschland ist untergegangen.

      Warum. Ja, weil Deutschland seine „Gelegenheiten“ nicht ergriffen hat, statt dessen nur seine „Chancen“. Auch so ein typischer Wandel, sogenannte phonologische Transferenz . Da wird das gute alte Deutsch durch Fremdphoneme erweitert. Nasalvokale nehmen den Einzug. Wir gehen nicht mehr in die Gaststätte sondern in das „Restoron“ oder „Restauron“ – ein einziges Chaos (tschuldigung, Urgemenge wollte ich sagen)

      Und noch etwas zu dem ganzen „Bewahren“:
      Michael hat da etwas geschrieben, was es ziemlich auf einen gewissen Punkt bringt: …haben da eine so scharfe Trennung im normalen Alltagsleben zwischen Hochdeutsch als Schrift- und Amtssprache und Mundart als “Sprache des Herzens”.

      Es wird einfach nur definiert: Dialekt – sensibel; Deutsch – unsensibel oder Kasernenhof. Nur funktioniert das tatsächliche Leben nicht so.

      Aber wer möchte schon als hart, ja menschenverachtend dastehen, vielleicht sogar faschistisch. Es scheint Menschen zu geben, die können eben ohne diese Schubladen nicht leben. Die wollen nicht einfach nicht selber denken. Kinder, hat Brun(o)egg treffend formuliert sind da cleverer.

    21. Simone Says:

      @Silvio:
      Es ergibt sich die Frage, was mit „Pflege“ der Sprache gemeint ist. Intendiert war sicher „Aufrechterhaltung der (variierenden) Mundart“. Wenn ich von „Sprachpflege“ spreche, meine ich „Erhaltung der Standardsprache“. Und das ist das genaue Gegenteil.

    22. tiis Says:

      Schade, Der Blog hier war früher mal amüsant. Im Moment lässt er sich leider nur auf den medialen Grabenkrieg ein, den der Tagi im Verbund mit anderen Tageszeitungen (newsnetz.ch) offenbar vereinbart hat, zu führen. Hauptsache boulevardesk und dicke Lettern in den Schlagzeilen. Kein Tag, an dem nicht entweder über Deutsche gelästert wird oder über balkanstämmige Bevölkerungsgruppen. Dooferweise gehöre ich zu allen Dreien und komme im Moment aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.

      Aus dem Norden kommen also die geldgeilen Teutonen, überfallartig, aus dem mittleren Süden die verbohrten Auch-Alemannen, die Ihren Dialekt schon an der Landesgrenze mit Hellebarde verteidigen, und aus dem noch südlicheren Osten die rasenden Autobahnzeitbomben.

      Quo vadis?

      Ich glaube, wir brauchen Probleme; schwerwiegende bitte. Die Relationen drohen, aus den Fugen zu geraten.

    23. Ami in Züri Says:

      @Silvio

      Für mich als nicht-deutscher Ausländer ist interessant was jetzt so langsam passiert wenn die Schweizer selber etwas öfter umziehen? Ich finde die Erhaltung der Sprache ist wichtig, aber sie ändert sich auch. Wie kann man diese Effekte trennen? Auf „hoch“ Deutsch heisst es heutzutage „das Management“, Franzosen reden vom „Weekend“, und auch in der Mundart sagen viele Schweizer sie sind ganz „happy“.

      Ich glaube einfach nicht dass Mundart so schnell verloren geht, es ist zu viel ein Teil des Volkes. Auch wenn Kinder früher Hochdeutsch lernen…

      Ami in Züri

    24. neuromat Says:

      @ Ein Zuercher

      Haben Sie meinen Kommentar wieder einmal nicht verstanden. Ihrer Idee Deutschunterricht in schwarzen Messen abzuhalten kann ich aber voll und ganz zustimmen. Auch ansonten guter Reflex!

    25. Stella Says:

      Unterschätzt unsere Kinder nicht! die können sehr wohl unterscheiden und sich auch sprachlich anpassen. Das zeigen viele Spielsituationen. Unsere Enkelkinder beispielsweise sprechen Schweizerdeutsch in der Familie, Italienisch aber in der Schule und beim Spielen kommt es drauf an, was sie spielen. Spielen sie „normal“, sprechen sie Schweizerdeutsch, spielen sie aber Schule, dann gehört automatisch italienisch dazu. So denke ich, dass Kinder auch schnell einmal lernen, in unterschiedlichen Sprachsituationen die „richtige“ Sprache anzuwenden.
      Wenn ich gewisse Blog-Einträge lese (hier auf der blogwiese geht es sprachlich geradezu zivilisiert zu und her….), überkommt mich das (sprachliche) Grauen. Es strotzt von Fehlern, die sicher nicht nur auf Flüchtigkeit zurück zu führen sind. Also kann es nicht schaden, dass wir schon früh in die Schriftsprache oder ins Hochdeutsche abtauchen und damit vertraut werden. Das schliesst nicht aus, dass wir trotzdem auch in der Mundart zu Hause sind.
      Höre ich gewisse Schweizer Politiker und Politikerinnen ihre Reden in Schriftsprache vortragen oder irgendwo in der Sprache Goethes diskutieren….. Prost Heiri! Denen hört man 100 Kilometer gegen den Wind an, dass sie nicht mal in der Primarschule richtig Deutsch gelernt haben, geschweige denn im Chindsgi!
      Ich bin überzeugt, dass Kinder sehr viel spielerischer mit dem unterschiedlichen Spracherwerb umgehen, als wir Erwachsenen ihnen zutrauen. Aber wir müssen ihnen eben diese sprachlichen Experimente zutrauen und sie Deutsch sprechen lassen, längst bevor sie schreiben lernen. Dann wird die Schriftsprache so selbstverständlich und natürlich, dass sie später auch keine Sprechhemmungen mehr haben. Was kann uns Besseres passieren? Deutsch ist Teil unserer Kultur. Auch in der Schweiz, denn alle interessante Literatur ist nun mal nicht in Mundart geschrieben.

    26. lupino Says:

      @tiis:

      Nein tiss, wir haben Probleme. Schwerwiegende. Deshalb wurde dieser Graben gebuddelt, um von wichtigeren Sachen abzulenken. Man kann einen Volk hinter sich einigen wenn man einen Feind präsentiert. Sonnst musste man sich doch an der eigenen Nase fassen…

    27. Uwe Says:

      DIE oder DAS Tram?

    28. Phipu Says:

      An:
      Thomas,
      Sonne,
      AnFra,
      Uwe

      Die Erklärung, wieso es hier „das Tram“ und in Deutschland „die Tram“ heisst, habe ich mir vor einigen Jahren auch schon aus den Fingern zu saugen versucht. Kommentar hier: http://www.blogwiese.ch/archives/79#comment-702
      Viel mehr zu diesem Thema findet man, wenn man im Blogwiesen-Inhaltsverzeichnis nach „Tram“ oder „Strassenbahn“ googelt, äh sucht.

    29. AnFra Says:

      @Phipu

      Vorschlag wg. der Artikel:

      Der Tramweg.
      Die Trambahn.
      Das Tramfahrzeug.

      A Tram.
      E Tram.
      Dös Tram.

      Jedem sein Tierchen.

    30. AnFra Says:

      Habe wg. eines Wunsches bei den Brüdern Grimm nachgeschaut, warum der „Trambaum“ oder das „Tramholz“ ausgerechnet den Bestanteil „Tram“ enthält. Die Grimms sind wirklich unbezahlbar!

      Im Namen „Tram“ ist u. a. der Begriff „trampeln und Trampel“ enthalten. Denn Bautechnisch muss das Tramholz als Fußbodenunterzieher eben das dynamische Getrampel von der Oberfläche (Fußbodenoberfläche) abfangen und über eine (eventl. vorhandene) Stütze ableiten.
      Solcherart von Stützen wurden in alter Bergwerkssprache „Trambalken, Dramhölzer usw.“ genannt. In der Fischerei gab es den Begriff „Trampe“, welches ein sog. Störstab war, um die versteckten Fischer durch ein Stochern bzw. Trampel aufzuschrecken.
      Und nun der beliebte „Trampel“, welcher durch ungeschicktes, plumpes und stoßendes Fußaufsetzen schon als solcher erkennbar ist!

      Die Hermeneutik zur Tram würde man nun etwas genauer hinbekommen: Da der Wunsch vorhanden war, dem Schaukeln, Wippen und Stößen der Kutsche auf den unebnen Wegen und Straßen zu entkommen, hat man sich eine Konstruktion wie entspr. im Bergbau den Riegelweg / rallway (Rollwagen auf Schienen, welche auf Querriegeln lagen) einfallen lassen.

      Um die Wagenräder dieser neuartigen „Straßenbahn“ ruhig zu führen, wurden Hohlkastenschienen auf die Straße gelegt. Da dadurch die Abrolllinie wesentlich glatter als auf der Straßenoberfläche war, ist dies nun durch ein „Trambalken oder Tramholz“ erfolgt, da ja diese in der bisherigen Anwendung solche pulsierenden Stöße abfangen mussten und auch konnte.

      Da der Süden in der Sprachenentwicklung immer etwas langsamer war, ist und sein wird ist nun erklärbar, warum ausgerechnet hier ein so im ersten Moment scheinbar „moderner“ Begriff der „Tram“-Bahn im Umlauf ist.
      Die Ironie bringts knüppelhart: Es ist ein alter, im übrigen deutschsprachigen Raum recht wenig genutzter Begriff!

    31. Puqqi Says:

      „Das Verhältnis Dialekt-Hochsprache muss entkrampft werden“

      http://www.sprachkreis-deutsch.ch/index___id%3Daktuelles!artikel&year%3D2003&artikel%3D2372.html