Die Nachachtung kannten wir nicht. Was bedeutet dieses Wort?
(reload vom 25.2.06)
Aus Deutschland kommend, brachten wir viele Wörter mit in die Schweiz, an die wir uns gerne erinnern. Wir kennen die „Nachrüstung“, denn einst schrieben deren Gegner als Graffiti an die Hauswand „Nach-Rüstung-kommt-Krieg“. Über diese „Nachrüstung“ zerbrach einst die SPD-FDP Koalition Deutschland, und es kam 1982 „die Wende“ mit Helmut Kohl, damals noch als „Birne“ verspottet, von dem kein Mensch ahnen konnte, dass er 16 Jahre Kanzler bleiben sollte bis nach der zweiten „Wende“, die Deutschland vom Herbst 1989 bis zum Frühjahr 1990 erlebte.
Wir kennen Nachsicht, die wir üben als „verzeihendes Verständnis für die Unvollkommenheiten“ (Zitat Duden).
Wir kennen auch die Nachfolge, wenn einer geht und ein Nachfolger kommt, oder eine Nachfolgerin namens Angela. Aber was ist die „Nachachtung“?
Achten wir auf etwas nicht vorher, sondern erst nachher? Oder wird hier beim „achten“ auf die Uhr geschaut, so dass wie bei der Tageschau erst nach Acht das „After Eight“ ausgepackt und verspeist werden darf?
Es ist ein mächtiges Wort in der Schweiz, denn es finden sich sage und schreibe 9.800 Belege bei Google-Schweiz . Wir stiessen auf die „Nachachtung“ wie immer bei der aufmerksamen Lektüre unseres Fachblattes für die Schweizerdeutsche Amtssprache, dem Tages-Anzeiger vom 04.02.06
„dem Grundsatz gleiche Einstandspreise werde Nachachtung verschafft“
Oder hier:
die geltende Norm werde infolge jenes Rechtszwanges Nachachtung finden, in praktisch relevantem Maße besteht.
(Quelle: textlog.de)
Bevor wir als arme Deutsche weiter verständnislos raten, auf was hier nachher alles noch geachtet wird, schauen wir doch lieber mal in den Duden. Was für ein Glück, der kennt sich aus:
Nach|ach|tung, die:
in der Verbindung einer Vorschrift, Forderung oder Ähnliches
Nachachtung verschaffen (schweiz., Amtsspr.;
dafür sorgen, dass eine Vorschrift, Forderung o. Ä. befolgt wird):
„die EG erwies sich als unfähig, dem Mehrheitsentscheid der Finanzminister auch Nachachtung zu verschaffen (NZZ 21. 12. 86, 11).
(Quelle: www.duden.de)
Da fragen wir uns ganz naiv: Könnte man da nicht einfach auch „Beachtung“ zu sagen? Aber wer beachtet uns schon. Und ganz sicher ist „einer Forderung Be-achtung verschaffen“ etwas gaaaanz anders als ihr „Nach-achtung“ verschaffen. Wir verstehen zwar noch nicht ganz warum, aber egal. Hauptsache wieder was gelernt.
Dezember 10th, 2008 at 1:13
Wenn das Wort im Duden steht, wird es wohl so seine Berechtigung haben. Sie können es in Ihrer Sprache ja durch „Beachtung“ ersetzen. Aber die schweiz. Amtssprache ist nun mal etwas präziser als Blog-Schreiben, weshalb die Amtsschreiber es Ihnen nicht nachmachen werden.
Dezember 10th, 2008 at 5:48
Amtsdeutsch ist grundsätzlich seltsam. Mit Sicherheit nicht nur in der Schweiz.
Ich denk da nur an die Lichtzeichenanlage statt Ampel, oder dass ein Antrag nicht abgelehnt sondern „abschlägig beschieden“ wird.. mag sein dass „Nachachtung“, aufgrund der amtlichen Verwendung, bei vielen Schweizern zum passiven Wortschatz gehört aber das war’s auch schon.
Dezember 10th, 2008 at 8:34
Sehr schöne Trouvaille und vor allem das Beispiel aus dem Duden. Das ist das grosse Misstrauen gegenüber Europa.
Dezember 10th, 2008 at 10:48
Könnte schon ein kleiner Unterschied sein zwischen Nach – und Beachtung.
Beachte ich etwas nehm ich es zur Kenntnis, was aber nicht heisst das ich es durchsetze. Wenn ich einer Bestimmung / Gesetz Nachachtung verschaffe, sorge ich dafür dass es durchgesetzt wird.
Dezember 10th, 2008 at 11:10
Ganz einverstanden Brun(o)egg! Nachachtung ist stärker als einfach Beachtung.
Die Amtssprache hier übrigens in einer recht bekannten Variante – das ist kein Kunstwort, sondern gelebte Sprache.
Dezember 10th, 2008 at 20:38
Wo hast du denn nur dieses Wort aufgeschnappt?? Ich habe das jedenfalls noch nie gehört und benutzt schon gar nicht..
Doch es gibt ja auch Worte aus den „grossen Kanton“ die hier nicht verstanden werden.. Oder hast du schon mal einen Schweizer gesehen, der „akkurat“ benutzt? Dieses Wort ist hier gänzlich unbekannt.
Dezember 10th, 2008 at 23:34
Ich fühle mich da jetzt recht verunsichert… wenn ich mich an Bestimmungen halte, beachte ich dann die Regeln oder nachachte ich die.
Also mal ganz doof gefragt, wenn ich den Vortritt nicht beachte, habe ich den dann einfach nicht zur Kenntnis genommen oder eben doch und mich nicht daran gehalten, den aber doch beachtet und bin dann trotzdem weitergefahren, vielleicht nur rückwärts also hinten nach, Achtung.
Würden Sie bitte beachten, meint der freundliche Herr, dass Ihr Hund nicht auf meinen Rasen scheisst. Aber klar, dass beachte ich doch, sage ich, ich halte mich nur nicht dran, nicht einmal ich, sondern mein Hund genauer gesagt. Dann gibt es aber die volle Nachachtung, es wird nachgeachtet.
Klingt irgendwie nach zu spät gekommen. Oder das Beachten dasselbe wie Betrachten ist. Aber das liegt dann wahrscheinlich wieder im Auge des Betrachters und es heisst gleicht, dass Betrachten dasselbe ist wie aus leeren blöden Kuhaugen anglotzen, ohne was zu sehen, verstehen oder wie auch immer.
Kann sein, dass B-Trachten aber auch die Kleidungsstücke sind, die zum Einsatz kommen, wenn die Original Trikots in der Wäsche sind. Also noch mal zurück, wenn ich die Regeln, Sitten und Landesgewohnheiten beachte, dann muss man eventuell trotzdem für Nachachtung sorgen oder die Nachsorge beachten, weil das blosse Beachten nicht ausreicht.
Reines Beachten ist nämlich zu schwach. Was habe ich da gelernt Worte mit „be“ sind schwach, die mit „nach“ sind „stark“. Beweise, die reichen nicht aus, die Schlappmänner, da müssen schon Nachweise her. Ganz kümmerlich, matte Nummer, wenn man es der B-(e)rasilianerin zum Bessert besorgt. Richtig wäre mit der Nachbarin zum Nachtisch richtig nachsorgen. Kleiner Tipp: Im Rahmen der Nachsorge ist die Beckenbodengymnastik besonders wichtig. …
http://www.bkk-goetze.de/content/mutter-und-kind/nachsorge – 34k –
dem wollte ich nur mal Nachtung verschaffen.
Dezember 11th, 2008 at 2:34
Einem Befehl bzw. einer Anordnung Nachachtung verschaffen bedeutet, sie durchzusetzen, also auch zu kontrollieren und allenfalls zu ahnden, falls die Anordnung, der man Nachachtung verschaffen will/soll, nicht befolgt wird/wurde.
Dezember 11th, 2008 at 11:34
@ Gerry aus Büli
Betreffend Akkurat täuscht du dich. Es gibt Dialekte in der Schweiz in denen akkurat im Sinne von sauber, korrekt, peinlich genau, verwendet wird. Eher ältere Leute aber immerhin
Dezember 11th, 2008 at 15:13
@ Michi
Abschlägig beschieden? ANFRA hätte da sicher die richtge Antwort.
Abschlägig beschieden / Abschlägig Bescheid geben ist doch nicht so veraltet?!
Ich geb Dir abschlägig Bescheid. Hat vermutlich mit dem Zuschlag oder Abschlag zu tun. Beim Handel.
Wobei Abschlag in dem Zusammnehang nichts mit Preisreduktion zu tun hat.
Dezember 11th, 2008 at 15:39
@ neuromat
Wenn Du ein Verkehrsregel nicht beachtest, wird ihr mittels Bussenzettel Nachachtung verschafft.
Nachachtung ist Amts – / Juristendeutsch.
Dezember 11th, 2008 at 20:42
@Michi
@Brun(o)egg
In Kurzfassung:
1.) abschlägig = versagen, verweigern, weigernd, nhd.: ablehnend, nicht
zustimmend.
2.) bescheiden = Hier ist im kanzleiamtlichen Sinne folgendes gemeint:
erteilen, überweisen, disponieren. In nhd: mitteilen,
benachrichtigen.
Dieser Wortsalat „abschlägig beschieden“ ist etwa aus der Zeit vor und um Martin Luther, also am Ende im 15. bis Ende 16. JH. Vermutlich sächsisches Kanzlei-(un)-wesen.
Man könnte z. B. auch so schreiben:
„………..wird Ihnen mitgeteilt……………..dem Antrag nicht zugestimmt wurde.“
Wenn also die Halbwertzeit beim IT-Bereich bei 1 Jahr liegt und in der Bau-Branche bei 20 Jahren, dann liegt die Halbwertzeit bei den deutschsprachlichen Verwaltungs-Kanzleien bei mindestens 600 Jahren!