Bitte halten Sie die Linie — Erlebnisse mit der Swisscom
(reload vom 10.10.05)
Ich kannte bisher Bus-Linien, Strassenbahn-Linien, Produkt-Linien und Wäsche-Linien, aber in der Schweiz gibt es anscheinend auch „Telefonlinien“. Neulich begegnete mir eine solche in Gestalt einer freundlichen Automatenstimme: „Alle unsere Linien sind besetzt, bitte versuchen Sie es später noch einmal.“
Steht man auch drauf, auf der Linie, oder ist das dann wieder die „Leitung“?
Kommentar meines Schweizer Kollegen Thomas: „Wir haben auch Linien, die wir uns ‚reinziehen‘, wenn wir Kokain meinen.“
Ein anderes Mal wurde ich von einer Automatenstimme freundlich aufgefordert, doch die Linie zu halten. Na gut, ich hatte gerade beschlossen nicht mehr so viel zu essen, und meine Linie zu halten. Aber warum musste ich mich am Telefon in der Warteschleife immer wieder daran erinnern lassen? Noch dazu von diesem unbekannten Automatenschnösel?
Die Swisscom ist für die Schweizer das, was wir in Deutschland die Telekom nennen: Ein für kundenorientiertes Auftreten und extreme Freundlichkeit berüchtigter Ex-Staatsmonopolbetrieb. Besonders merkwürdig geht es zu, wenn man dort telefonisch mit einem Menschen sprechen möchte.
Nach einem Jahr in der Schweiz war es so weit: Ich bekam eine Abrechnung über die für unseren Telefonanschluss hinterlegte Kaution, die „Garantiehinterlage“. Allein dieses Wortungetüm war es wert, die Geschichte im Blog zu erwähnen. „Sollten Sie diesbezüglich Fragen haben, stehen wir Ihnen für weitere Auskünfte zur Verfügung“.
Dieses Versprechen wollte ich einlösen und das Kommunikationsangebot des Kommunikationsbetriebs nützen, also rief ich die kostenfreie 0800er-Nummer an. Es ertönte „Night-Fever“, in einer Techno-Disko Version, und „alle unsere Linien sind besetzt, bitte warten“. Ich versuchte es um 8:00 Uhr, um 10:00 Uhr, um 12:00 Uhr, um 13:00 Uhr, um 15.00 Uhr, um 18:00 Uhr, immer umsonst, denn stets waren alle Service-Mitarbeiter mit „Night-Fever“ hören beschäftigt, oder fuhren Bus, denn die Linien waren immer noch besetzt.
Als ich es gerade aufgeben wollte, am Abend, wurde ich doch noch mit einem Menschen verbunden. Kurz und schmerzlos wurde mir verkündet, dass ich meine Garantiehinterlage wieder vorgelegt bekomme. „Auf welches Konto sollen wir das Geld transferieren“?
Was für ein Service! Ein Jahr war rum, wir waren tatsächlich nicht aus der Schweiz getürmt und haben die Swisscom mit einem horrenden Berg von unbezahlten Rechnungen zurückgelassen, die sicherlich dann mit den 500 CHF Garantiehinterlage bezahlt worden wären.
Einige Zeit später wechselte ich zum billigeren Telefonanbieter N-Tel. Der Wechsel kam sehr ungewöhnlich zustande. In Deutschland bekommt man bei solchen Gelegenheiten auf dem Postweg einen Vertrag in doppelter Ausführung zugeschickt, den man unterschreiben und zurückschicken muss, natürlich im Freiumschlag.
Anders in der Schweiz: Ich wurde am Ende des Anwerbungsgespräches telefonisch über alle meine Rechte und Pflichten aufgeklärt und dann von einem Tonband in einer feierlichen Zeremonie aufgefordert, mit „JA“ mein Einverständnis zu bekräftigen. Aber bitte erst wenn das Band läuft! Ich konnte mir nicht verkneifen ein „JA, mit Gottes Hilfe“ zu Protokoll zu geben.
Der so mündlich abgeschlossene Vertrag wurde dann von einer neutralen Firma überprüft. Das heisst, da sass jemand mit Kopfhörer und kontrollierte im Akkord, ob meine Daten und viele andere Gesprächsmitschnitte echt waren, und ob ich auch wirklich eine Männerstimme hatte, oder ob da nicht vom Verkäufer gepfuscht wurde und er womöglich selbst das JA im entscheidenden Moment gekrächzt hatte. Solche via Telefon zustande gekommenen Verträge sind rechtskräftig in der Schweiz.
August 10th, 2007 at 14:22
Auch in Deutschland bedürfen Verträge nicht der Schriftform.
[Anmerkung Admin: Das grundsätzlich richtig. Aber zeige mir bitte den Telefonanbieter, zu dem Du nur per Telefonat wechseln kannst, ohne zumindestens eine Widerspruchserklärung etc. unterschrieben zu haben. Das gab es vor 6 Jahren noch nicht. Es habe aber Leute berichtet, dass diese Form des „telefonischen Vertragwechsels“ jetzt auch in Deutschland existiert. ]
August 10th, 2007 at 14:49
Also bei mir wäre es sehr schwierig, die Telefonleitung zu halten, denn diese ist ausser Haus erdverlegt und im Gebäude unter dem Putz. Die Telefonlinie ist dagegen sehr praktisch zu halten, denn dank der Funk-Basisstation entspricht sie der direkten Luftverbindung. Da ich weiss, wo die Basisstation steht, kann ich – egal wo ich mich in der Wohnung befinde – einfach in die Rechtung von deren Standort in die Luft greifen und sie halten. £Am besten geht das gleich angrenzend an den mobilen Apparat. Ich muss mich so nicht allzu sehr verrenken. Das ist besonders im Verkehr mit der Swisscom-Hotline, praktisch, denn länger als dort wartet man nirgends und eine Körperverrenkung würde dabei fast so schmerzhaft wie der Ärger über die ewige Warteschlaufe.
August 10th, 2007 at 18:44
es ist noch einfacher: die Leitung ist die physikalische Verbindung. Die Linie ist die über die Verbindung gejagte Frequenzmodulation.
Das tönt fast so schoen wie Plasmafluxgenerator. Hoffentlich stimmts auch.
August 10th, 2007 at 19:48
@admin:
Kein Problem – kommt in Deutschland häufig genug vor, dass Telefonanschlüsse per telefonischem Auftrag umkonnektiert werden.
Da Anbieter und „Kunde“ auch öfter mal abweichende Meinungen über das tatsächliche Bestehen eines Vertragsabschlusses haben (lies: Kunde bekommt Telefonanschluss, obwohl er in einem unverbindlichen Informationsgespräch seiner Meinung nach nicht zugestimmt hat), beschäftigen sich auch oft genug die Gerichte damit…
[Antwort Admin: Nun, die Geschichte stammt von ca. 2000, damals war für uns das mündliche Wechseln des Vertrags noch etwas Neues, verifiziert via Tonband. Habe mir sagen lassen, dass diese Variante jetzt in Deutschland auch möglich ist, „ja, mit Gottes Hilfe“. 🙂 ]