Der Tunnel mitten in der Ebene
Der Tunnel von Emmi
Fährt man von Zürich nach Bern über die Autobahn, so kommt man auf halber Strecke im flachem Gelände an einem merkwürdigen Bauwerk vorbei. Zwischen der schnurgerade Autobahn und einem Industriegebiet erhebt sich plötzlich ein 300 Meter langer oberirdischer Eisenbahntunnel, einfach so in die Landschaft gebaut, eine lange Röhre, durch den die Züge, aber nicht die Autobahn, geleitet werden.
Das ungewöhnliche Tunnelstück wirft interessante Fragen und Theorien auf:
Auffällig ist die unmittelbare Nähe einer Firma: Das Emmi-Käsezentrum (gehört zur Coop Gruppe) befindet sich keine 11 Meter vom Bahndamm entfernt, und darin birgt sich auch die Erklärung für den Tunnel: Es ist ein Schutzwall für den fein versprühten Fäkaliendreck der vorbeifahrenden Züge. Billiger, als alle Züge mit geschlossenen Chemieklos auszurüsten, war es wohl, diesen Tunnel in die Landschaft zu stellen. Auf gut Deutsch: Es ist ein Kacktunnel!
Die lebenden Kulturen, die bei der Käseproduktion von Coop benötigt werden, sind sehr empfindlich gegen jede Verunreinigung. Hier wird von Emmi der Emmentaler Käse produziert.
Warum wurde nicht ein anderer Standort genommen? Soviel Platz in den wenigen Ebenen der Schweiz gibt es nicht, und der Ort ist extrem verkehrsgünstig gelegen. Wenn da nicht der Notdurft-Drang der Reisenden wäre, sich kurz vor Bern noch einmal zu erleichtern.
Für das Ding gibt es natürlich auch eine eisenbahnrechtliche Plangenehmigung:
2. Mikrobielle Immissionen auf einen unmittelbar an die Bahnstrecke angrenzenden Lebensmittelbetrieb durch den Bahnverkehr (offene Toilettensysteme, Aufwirbelung von Bodenstaub):
(…)
– Ergibt sich aus gutachtlichen Erhebungen nicht mit Klarheit, ob der Bahnbetrieb zu unhaltbaren mikrobiellen Immissionen führen könnte, sind die gutachtlichen Feststellungen mit Blick auf allfällig zu treffende Vorkehren am Betriebsgebäude oder an der Bahnstrecke durch den Experten präzisieren zu lassen (E. 6d).
(…)
Im Käsezentrum werden von der Coop Schweiz verschiedene Halbhart- und Hartkäse gelagert, gepflegt und zur Reife gebracht; weiter wird das gesamte Käsesortiment der Coop-Gruppe einschliesslich der Exportware
zwischengelagert. Weil die Coop Schweiz durch den Betrieb der geplanten Neubaustrecke eine massive Beeinträchtigung des Käsezentrums befürchtet, erhob sie gegen das Bahnprojekt Einsprache.
Einsprache heisst auf Schweizerdeutsch übrigens „Rekurs„, und es gibt nichts was ein Schweizer Unternehmen mehr fürchtet, als einen solchen Hemmschuh. Da wird dann auch schon mal ein Tunnel gebaut.
Der Emmi-Tunnel hat es sogar in die Comedy Arena von „Genial Daneben“ auf SAT1 geschafft. Das Rateteam war nach einigen wilden Spekulationen in der Lage, die Lösung des Geheimnisses selbst herauszufinden und der Einsender der Frage konnte keine 500 Euro kassieren.
Eine Brückenfahrt ohne Toilettengang
In Norddeutschland, auf dem Weg von Hamburg nach Sylt, werden von den Zugschaffnern während der Überquerung des Nord-Ostsee-Kanals alle Toiletten sorgsam von aussen versperrt. Was ist der Grund, dass die Reisenden im Zug ca. 15 Minuten lang keine Toilette aufsuchen können?
Ein Autohändler, der tief unten unter dem Viadukt seine Neuwagen ausstellt, hatte keine Lust mehr, jeden Tag seine Wagen vom Fäkaliendreck zu reinigen und konnte die Bahn erfolgreich per Gericht dazu verdonnern, diese Beschmutzung von oben zu unterlassen. Sollte man der Bahn hier nicht auch den Bau eines Tunnels anempfehlen? Schweizer Ingenieurskunst wäre dazu sicherlich in der Lage.
Die Brücke mitten in der flachen Landschaft wurde deswegen so hoch gebaut, damit die hohen Kreuzfahrtschiffe und die Segelschiffe mit den hohen Masten bei der Befahrung des Kanals ohne Problem drunter durch passen.
Was lernen wir aus diesen Geschichten? Esse nie Gemüse aus einem Kleingarten, der direkt an einer Bahnlinie liegt! Auch wenn das Zeug noch so verdammt gut zu gedeihen scheint.
September 30th, 2005 at 8:23
Mann o Mann, jetzt haben wir die Lösung, falls der Weinbauer hinter uns und der Gemüsebauer vom letzten Jahr vor uns wieder soviel Gift versprühen – Aussicht hin, Aussicht her!
September 30th, 2005 at 8:31
Tunnelbau ist machbar, Herr Nachbar…
einfach die netten Schweizer Ingenieure fragen,
oder erst mal einen „Rekurs“ eröffnen
Gruss, Jens
September 30th, 2005 at 10:06
Haben Sie schon mal daran gedacht einen Buch zu veröffentlichen, ich meine, Ihre Erlebnisse als Buch verfassen und vermarkten!?
Ansonsten kann ich Sie für Ihre Arbeit nur beglückwünschen.
Mit freundlichem Gruss,
Philipp F.
Januar 29th, 2006 at 13:02
hm, i mue no zuefüege, dass de au baut worde isch, well ja en zug bir fahrt au metall versprüht (kline staub, wo halt dur ribig entschtot..) in zwüsche muend Züg ja umgrüschtet werde.. well au ir schwiz öbber gmotzt het, well er kot u urin a gring becho het
Juli 14th, 2006 at 10:10
Hallo Jens
Bezüglich der Begriffe: „Einspruch“ und „Rekurs“ möchte ich folgendes richtig stellen:Im Steuerrecht (und wahrscheinlich auch in anderen Bereichen) kann gegen eine Verfügung Einspruch erhoben werden. Wird diesem nicht statt gegeben, hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit dagegen „Rekurs“ zu erheben. Bei Euch in Deutschland ist das Pendant zum „Einspruch“ meines Wissens der „Widerspruch“. Der weitere Instanzenweg scheint mir in diesem Zusammenhang irrelevant zu sein. Dieser variiert im Übrigen auch von Kanton zu Kanton.
Freundliche Grüsse
Louis
Juli 16th, 2006 at 2:09
In Österreich legt in der Regel der Rechtsanwalt oder Notar einen „Rekurs“ bei Gericht ein!
August 13th, 2006 at 23:31
Betreffend der Neubaustrecke muss ich auch noch anfügen: Der Tunnel wurde dennoch in erster Linie wegen Feinstaubemissionen der Bahn gebaut. Denn auf der NBS dürfen grundsätzlich nur Züge mit geschlossenem Toilettensystem fahren, und das war seit deren Eröffnung Ende 2004 so. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Die Eurocity-Züge Mailand-Basel über Bern benutzen die Strecke auch, einige von ihnen haben noch keine Vakuumtoiletten. Dann werden jeweils in Bern alle stillen Örtchen abgeriegelt und in Olten wiedereröffnet. Ca. 30 Minütige Fahrt ohne Klo…
Von demher gesehen glaube ich auch nicht, dass es ein reiner Kacktunnel ist, vielmehr habe ich auch schon das Gerücht gehört, dass bei Geschwindigkeiten von 200 km/h ein offenes Fäkalsystem Sicherheitsprobleme bereiten kann.
August 22nd, 2006 at 16:03
Seit wann gehört den Emmi zu Coop?
September 4th, 2006 at 15:31
Hi, leider stimmt deine These bezüglich dem Zusammenhang Kacke und Käse nicht. Ich habe in der besagten Firma während des Tunnelbaus gearbeitet.
Da im Emmi-Käsezentrum sehr wohl Käse verpackt, aber nicht produziert wird (dies geschieht immer noch in den Dorfkäsereien), musste der Tunnel her, da sonst durch vorbeifahrende Züge die Wägesysteme durch Erschütterungen empfindlich gestört werden könnten. Da Emmi in Kirchberg (ganz pingelig: in Rüdtligen-Alchenflüh) für Grossverbraucher (u.a. Coop) Käse verpackt, kann sich Emmi Gewichtsdifferenzen nicht leisten.
Der Kacktunnel ist demnach ein „Erschütterungsdämmender Tunnel“ oder so… 😉
Mach weiter so mit deiner Seite!!! Gruss
Ron us em Bärnbiet
Mai 19th, 2013 at 20:04
Ein Tunnel wäre toll. Zumal es schon einen für die Autos gibt. Nur müßte der Eisenbahntunnel auch deutlich länger sein. 😉