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Von Püntikern und Pünten — Wenn Duden und Google versagen

  • Eine Pinte ist keine Pünte
  • Nicht immer gelingt es uns mit Hilfe des Dudens oder der Suchmaschine Google eine Erklärung für Schweizerdeutsche Wörter zu finden. So auch bei diesem Wort. Der Duden schweigt sich völlig aus dazu. Unser begrenzte hochdeutsche Wortschatz kennt zwar die „Pinte“, als Synonym für eine kleine Kneipe, oder als englische Masseinheit für Bier, z. B. als „a pint of Lager (franz. „une pinte“) “ = 0,568 261 25 Liter (die acht Nachkommastellen nicht vergessen, sonst wird der Brite sauer) (Quelle: ). Aber hilft uns das in diesem Fall irgendwie weiter?

    Im Norden Deutschlands sind sie da besser dran, dort gibt es noch an manchen Orten die Pünte als Schwebefähre oder als Bootstyp:

    1. Bezeichnung für eine Schwebefähre
    2. Bezeichnung für einen offenen Prahm der Ems mit umlegbarem Mast und Trapezsegel, der gesegelt oder getreidelt wurde. Die „Emspünte“ oder „Harener Pünte“, wurde noch Ende des 19. Jahrhunderts gebaut.
    3. die ortsübliche Bezeichnung für eine historische am Seil handgezogene Fähre
    (Quelle Wiki: )

    Es findet sich kein Foto bei Google-Schweiz, es hilft auch kein Leo.org beim Übersetzen. Dabei lasen wir am 27.12.05 im Tages-Anzeiger auf Seite 12:

    Pünten aufgebrochen
    In Seen haben Einbrecher in der Nacht auf Sonntag mindestens zehn Püntenhäuser aufgebrochen und Geld sowie Ess- und Trinkwaren gestohlen. Ein Häuschen steckten sie in Brand (…).

    Google will uns bei der Eingabe von „Püntenhäuser“ regelmässig zu „Entenhäusern“ überreden. Aber die Schweiz ist doch nicht Entenhausen, und warum sollten Enten auf dem Teich denn Geld, Ess- und Trinkwaren in ihren Häusern aufbewahren?

    In der Zeitung „De Toessemer“ (herausgegeben von der Sozialdemokratischen Partei Töss) vom März 2005 finden sich gleich eine ganze Reihe von Variatonen von diesem Wort:

    Die Pünten und die Püntehäuser
    Die Püntensaison
    Das Püntenfest
    Die Püntenpächterreise (mit zwei prächtigen Ps!)
    Das Püntenjahr
    Die Püntiker
    Quelle:

    Nirgends findet sieh hier ein Wort der Erklärung, was Püntiker eigentlich so treiben. Wir hoffen aber inständig, es ist nichts Illegales und alle haben ihren Spass dabei.

    Auf der Suche nach weiteren Erklärungen wurde unsere Verwirrung nur noch grösser:

    Die PPK ist zum Schluss gekommen, dass die Püntenhäuser ergänzt werden können durch Wiesen und dass die Püntenhäusersiedlung im ähnlichen Sinne ausgeweitet werden könne. In der PPK herrschte die Meinung, dass dies ein moderater Vorschlag wäre. Die Anwohner unterhalb der Püntenhäuser haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen und sich gegen diese Umzonung gewendet, da diese gegen den Richtplan verstosse.
    (Quelle:)

    Um Püntenhäuser zu verstehen, müssten wir zunächst eimal rausfinden, was PPK bedeutet:

    Wiki hilf!

    PPK:
    Das Wort PPK bezeichnet
    eine russische Techno-Band, siehe PPK (Band).
    eine Handfeuerwaffe, siehe PPK (Handfeuerwaffe).
    die Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums
    (Quelle Wiki:)

    Na prima! Russischer Techno, eine Handfeuerwaffe und Schutz für nationalsozialistisches Schriftum. Das kann es ja nicht sein. Aber wenig später werden wir nochmals fündig:

    PPK = Parlamentarische Planungskommission in der Schweiz.

    Womit jetzt zwar eine Schweizer Abkürzung mehr kennen aber immer noch nicht wissen was Pünten sind. Was könnten wir noch tun in unserem Bemühungen, die Artikel des Tages-Anzeigers zu verstehen? Wir fragen einen Schweizer! Und siehe da, was wir schon lange irgendwo tief im Innersten vermutet haben: Püntiker sind Besitzer eines Schrebergartens! Wir hegten diesen Verdacht, allerdings wurde in machen Quellen sowohl über Püntenhäuser, als auch über Schrebergärten berichtet, ohne dass beide Dinge in irgendeinem Zusammenhang zu stehen schienen.
    Darauf jetzt ein Pinte in der Pinte auf die Püntiker gehoben!

  • Nachtrag:
  • Wir haben dem Duden Unrecht getan. Er kennt sehr wohl die Pünte, allerdings in einer anderen Schreibweise mit „B“:

    Bünt, die; -, -en [→vgl. Beunde] (schweiz.): eingezäuntes Stück Land; Schrebergarten.
    Beun|de, die; -, -n [mhd. biunde, ahd. biunt(a)] (südd., schweiz.): eingezäuntes Stück Land.

    

    18 Responses to “Von Püntikern und Pünten — Wenn Duden und Google versagen”

    1. Marten Says:

      Correct English spelling is pint, not pinte.

      Schöni Tag noo.

    2. Administrator Says:

      Marten
      Du hast Recht, ich hatte die Französische Fassung von „a pint“ verwendet = „une pinte“. Schon korrigiert. Danke für den Hinweis, echt zu lange nicht mehr in einem englischen Pub gewesen..
      Gruss, Jens

    3. viking Says:

      Jens, mit Pünt bewegst du dich im Normalfall im Bereich der Flurnamen.
      Gerade auch im Zürcher Unterland ist der Begriff auf den Dörfern noch ziemlich geläufig. Allerdings ist es wohl eine Abwandlung von Bünt:

      Siehe http://www.swisstopo.ch/pub/down/basics/topo/topogrund/Entwurf_Mai_2005_de.doc :
      Toponymische Richtlinien der Schweiz:
      Regionale schweizerdeutsche Lauterscheinungen
      Regional beschränkte Lauterscheinungen werden je nach [der] Wichtigkeit und [der] Schreibtradition verschieden behandelt.

      c. Wandel (Fortisierung) von b zu p: Bünt/Pünt, Bort/Port, Bürt/Pürt, Puuregatter.

      In http://herblingen.ch/quartierverein/publikationen/qvz_april2004.pdf ist zu lesen:
      Im Lexikon der Flurnamen kann man zu diesem Begriff Folgendes nachlesen: «Das Wort Bünt stammt vom althochdeutschen Wort «biunde» oder «biunte» her, das im Mittelalter noch gleich geschrieben wurde und das eingezäunte Land beim Dorf benannte. Der früher sehr häufige Name benannte im Allgemeinen das Gartenland beim Dorf, mit dem Recht der Einfriedung, insbesondere meist mit Hanf oder Flachs bepflanzt, daher ist der Name Hanfpünt, Flachspünt und Spinnbünt entstanden».

    4. markus Says:

      Sagt man den PüntenbesitzerInnen nicht PüntianerInnen statt Püntiker?

    5. Rainer aus Krefeld Says:

      Hey, wieder was gelernt. Dieses Wort kannte ich auch noch nicht.

      Aber eigentlich könnte man den Spiess auch mal umdrehen. Frag doch mal deine schweizer Bekannten, was sie sich unter folgenden Begriffen vorstellen: Datsche, Sättigungsbeilage und Jahresendflügelfigur.

      Auf die Antworten wäre ich echt gespannt.

      Ich hab meine schweizer Bekannten mal mit diesen Begriffen konfrontiert; die Antworten waren abenteuerlich. Als ich dann erklärt habe, was das ist, erntete ich erst ungläubiges Staunen, danach fassungsloses Gelächter. (Was? Stimmt das wirklich…?!?)

      Aber auch von mir mal ein grosses Lob an dich, Jens. Diese Seite ist echt super, amüsant geschrieben und man kann auch noch ein paar Sachen lernen. Mach weiter so…!!!

    6. viking Says:

      @Rainer Auch wenn wir nicht alles aus der DDR mitgekriegt haben, zumindest Jahresendflügelfigur und Sättigungsbeilage war mir nicht unbekannt.
      Ansonsten: http://de.wikipedia.org/wiki/DDR-Sprachgebrauch

      Übrigens gabs meines Wissens auch in der DDR die Polikliniken, die du hier in der Schweiz auch findest.

      PS: Wie es dazu kam, die Jahresendflügelfigur auf den Tannenbaum zu stecken weisst du ja hoffentlich? 🙂

    7. Noz Says:

      1934 berichtet Gwan Lauw in seiner Dissertation zur „Kleingartenbewegung in der Schweiz“ von der „Pünte“ als dem Winterthurer Begriff für den Kleingarten. Wenn mich jetzt nicht alles täuscht.

      Die Schweizer reden übrigens lieber vom Familiengarten (oder allenfalls vom Kleingarten) als vom Schrebergarten. Und Sie ahnen sicher auch bereits warum, nicht wahr?

    8. clarissa Says:

      „Datsche, Sättigungsbeilage und Jahresendflügelfigur“

      Ohne bei Wiki nachzulesen hab‘ ich immerhin „gewusst“, was eine Sättigungsbeilage ist. Bei der Jahresendflügelfigur hätte ich auf Geflügel (Truthahn oder ähnliches, was man zu Silvester isst) getippt. Unter Datsche konnte ich mir gar nix vorstellen.

      Übrigens, was eine Bünte ist, wusste ich bisher auch nicht! 😉

    9. Eva Says:

      Jetzt müsste jemand noch erklären dass Bündner keine Schrebergartenbesitzer sind. Also zumindest nicht alle. 🙂

    10. heiko Says:

      Musste mal einen kleinen Bericht über die Pünten oder Bündten schreiben. Durfte mich dabei über ein Reglement, die sogenannte Bündtenordnung, der Stadt Aarau auslassen.

      Lohnt sich doch, einen kurzen Blick in diese Lektüre zu werfen: Siehe hier
      Sie ist höchst amüsant geschrieben…. Was es da nicht alles an Regeln gibt 🙂

    11. Simon Says:

      „Winterthurer Begriff“ könnte hinkommen. Jedenfalls ist das Wort in der Gegend allgemein bekannt. Jedoch schon im überaus weit entfernten Zürich erntet man damit ungläubiges Kopfschütteln.

    12. Olga Says:

      @clarissa
      „Unter Datsche konnte ich mir gar nix vorstellen.“

      Datsche kommt ganz sicher aus dem Russischen: Schrebergarten, Wochenendhaus, Villa im Grünen – je nach Grösse und Preis.

      Im Uebrigen ist es beruhigend zu wissen, dass nicht nur wir komplett fremdsprachige hier linguistisch herausgefordert sind. 🙂

    13. Phipu Says:

      Mir war „Pünte“ bisher auch nicht bekannt (im Raum Solothurn, Bern, Freiburg nie gehört). Dehalb tippe ich auf „Winterthurer Ausdruck“. Hingegen gibt es auch hier in vielen Dörfern einen „Bündenweg“ oder „Bündtenweg“, ohne dass ich bisher gewusst hätte, was eine „Bündte“ ist. Gut, nun wissen wir ja, dass es sogar im Duden vorkommt. Also muss das Wort auch in noch älteren Quellen vorkommen. Dafür mag ich besonders Grimms Wörterbuch. Manchamal muss man bei der Schreibweise aber etwas Phantasie beweisen: http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GB06236

    14. myl Says:

      Ich vermute mal, dass das Wort „Pinte“ im schweizerdeutschen „Schpunte“ wiederzufinden ist…

    15. Karl Says:

      „Pünt“ ist in der Tat Winterthurerisch für Familiengarten, in anderen Landesgegenden Pflanzblätz genannt. Und wie oben schon erwähnt, wird das Wort ausserhalb Winterthurs kaum verstanden.

    16. Thomas Says:

      Das ist Winterthurer Dialekt und heisst Schrebergarten. Wir sind definitiv keine Zürcher!!! Denn schon im benachbarten Zürich kennt man diesen Ausdruck nicht!

    17. Yo Says:

      Ich schliese mich meinen Vorrednern an und bestätige definitiv: eine Pünt ist ein „Schrebergarten“ und die Püntiker sind keine Püntianer. Es ist zwar kein eigentlicher Winterthurer Dialekt, sondern wurde im ach so städtischen Zürich schlicht vergessen (in Opfikon gibt es aber eine Püntenstrasse und in Zürich selbst kennt man aus alten Ortsnamen den Begriff ebenfalls!), beziehungsweise kennen die lieben Stadtzürcher ihre eigene Mundart relativ schlech…. Aber es ist schon so, dass man Pünten fast nur noch in der Agglo Winterthur kennt (tja, und ich wohne sogar an einer Strasse, welche „Auf Pünten“ heisst!).

    18. Laura Says:

      Danke lieber Jens, dein Blogbeitrag hat mir einiges erleichtert. Ich (15 Minuten von Winterthur aufgewachsen) habe mit einem Winterthurer „gleich nach den Pünten“ abgemacht. Das hätte ich wohl nicht gefunden.