-->

In der Schweiz als Asche in den Bach — Aus der Schweiz raus in der Urne

(reload vom 16.02.07)

  • In Deutschland gehört Asche auf den Friedhof
  • In Deutschland besteht „Friedhofszwang“. Wer stirbt und beerdigt oder verbrannt wird, gehört auf den Friedhof:

    Unter Friedhofszwang wird eine Vorschrift verstanden, die es verbietet, die physischen Reste eines toten Menschen (also z.B. Sarg mit Leiche, Urne mit Asche), an einem anderen Ort als auf einem Friedhof (oder – bei Asche – im Meer) aufzubewahren. Insbesondere wird durch den Friedhofszwang verboten, dass die Urne mit der Asche des Toten als Andenken bei seinen Hinterbliebenen verweilt. Die Waldbestattung wird durch den Friedhofszwang jedoch nicht ausgeschlossen, wenn das vorgesehene Waldgebiet als Friedhof gewidmet wird.
    (Quelle: Wikipedia)

    Das ist nicht einfach so eine Regelung, sondern kann zur Ordnungswidrigkeit werden:

    Anders als in den Niederlanden oder den USA existiert in Deutschland und Österreich ein Friedhofszwang auch für die Asche von Toten. Das Behalten von solcher Asche in Privatbesitz ist eine Ordnungswidrigkeit, auf welche Beschlagnahme und Zwangsbestattung auf Kosten der Hinterbliebenen folgt, sofern entsprechende Behörden davon erfahren.
    (Quelle: Wikipedia)

  • Napoleon brachte den Zentralfriedhof nach Deutschland
  • Der Hintergrund für diese merkwürdigen Verordnungen waren ursprünglich sicherlich hygienische Bestimmungen, die später von wirtschaftlichen Interessen der „Bestattungsindustrie“ abgelöst wurden. Napoleon führte in Deutschland und anderswo die „Zentralfriedhöfe“ ein, ursprünglich ausserhalb der Stadt gelegen. So zum Beispiel in Köln:

    Denn 1804 erließ Napoleon das „Décret sur les sépultures“, welches zum Entsetzen der Kölner die Beerdigung in Städten, Dörfern und geschlossenen Gebäuden verbot. Vorbei die Zeit der Bestattung in Kirchen und auf dem Kirchhof. Die Nähe zum Altar bedeutete Nähe zu Gott, aber auch eine hohe Position in der sozialen Hierarchie. Diese Tradition fand zu Gunsten pragmatischer, vor allem hygienischer Erwägungen ein Ende – ein großer Schritt im Säkularisierungsprozeß.
    (Quelle: melatenfriedhof.de)

    Bis dahin wurden in den mittelalterlich gewachsenen Stätten die Toten rund um die zentralen Kirchen und Kathedralen beerdigt, nahe bei Gott. Das Münster in Freiburg im Breisgau, heute von einem beliebten Wochenmarkt umgegeben, stand bis ins 19. Jh. mitten in einem Friedhof. Die Mauern der Friedhofskirche sind unter den Ständen der Marktfrauen im Pflaster erkennbar.

    Wiesenbestattung

  • Beerdigungen in der Schweiz
  • Dieser Mann düngt nicht seinen Obstgarten, sondern führt eine Wiesenbestattung durch
    (Quelle Foto Naturbestattungen.de)

    Doch, Gott sei dank, gibt es ja im Süden von Deutschland die liberale Schweiz. Dort sehen die gesetzlichen Bestimmungen wesentlich ganz anders aus:

    In der Schweiz gibt es keinen Friedhofszwang, das heißt, die Asche kann auch einfach in den Wald oder in einen Fluss oder ähnlich gestreut werden.
    (Quelle: Wikipedia)

    Auf Grund dieser Diskrepanz hat sich nun in den letzten Jahren ein eigener „Bestattungstourismus“ entwickelt. Das Unternehmen „Oase der Ewigkeit GmbH“ vermarktet via Internet die naturnahe Bestattung in der idyllischen Schweiz. Zur Auswahl steht die Almwiesenbestattung für 322.80 Euro, die Almwiesenbestattung mit Edelweisspflanze kostet 11 Euro mehr, nämlich 333.56 Euro.
    Bachbestattung
    (Quelle Foto Naturbestattungen.de)

    Soll die Asche in einen Bergbach geschüttet werden, macht das ebenfalls 322.80 Euro, allerdings nur wenn keine Angehörigen dabei sind, sonst kostet es 107.60 Euro mehr.

    Preise für Naturbestattungen
    (Quelle Foto Preise für die Bestattung)

    Wer die Preise Deutscher Bestattungsunternehmer kennt, bekommt bei diesen Zahlen Tränen in den Augen vor Rührung. Was für ein Schnäppchen! Und Sie können die Rechnung sogar schon im Voraus vor Ihrem Ableben begleichen, um den nächsten Angehörigen diese Unkosten zu ersparen. Mehr noch, der einmal gepflanzte und bezahlte „Familienbaum“ ist für alle späteren Bestattungen kostenlos:

    (…) kann man sich bereits zu Lebzeiten seinen Wunschbaum pflanzen lassen und dabei auch selbst mithelfen, um dann später dort seine letzte Ruhe zu finden.

    Da es sich auch um einen Familienbaum handelt, können später an diesem Baum die weiteren Familienmitglieder (Vater, Mutter, Söhne, Töchter) kostenlos bestattet werden, für deren Angehörige kostet es 430,40 Euro, wie eine normale Almwiesenbestattung.
    (Quelle: naturbestattungen.de)

    Im Klartext: Sie bezahlen einmalig 968,40 Euro für einen Familienbaum, pflanzen den Baum selbst und haben für sich und ihre nächsten Angehörigen vorgesorgt. Weitere Angehörige zahlen extra. Faire Sache das.

  • Widerstand im Wallis
  • Gegen diese „Beerdigungstourismus“ regt sich jetzt politischer Widerstand im Wallis. So berichtet die Westschweizer Zeitung „La Liberté“ vom 08.02.07, dass in einem Wald des Val d’Hérens bereits die sterblichen Überreste von 350 Deutschen ausgestreut wurden und 500 weitere auf eine Bestattung warten. Diese Art von „Wirtschaftsbelebung“ der Gegend beunruhigt die Ortsansässigen. Im Wallis gibt es keine Verordnung zum Thema „Aschenbestattung im Wald“. Jetzt wurde ein parlamentarisches Postulat von einigen CVP-Abgeordneten eingereicht, das eine gesetzliche Regelung fordert , durch die festgelegt wird, wie das mit der Bestattung von sterblichen Überresten in Walliser Wäldern zukünftig gehandhabt werden soll.

  • Heimlich die Urne nach Deutschland zurück
  • Die liberale Schweiz eröffnet noch eine ganz andere Art von „Grenzverkehr“:

    Ist die Urne erst einmal in der Schweiz, gilt natürlich das schweizerische Bestattungsrecht. Dort kann die Asche selbstverständlich auch an die deutschen Angehörigen ausgehändigt werden. So kommt es, dass sich viele Deutsche entschliessen, die Asche zurück nach Hause zu bringen um diese beispielsweise heimlich im eigenen Garten beizusetzen oder ehrenvoll daheim in der Wohnung aufzubewahren. So können sie der Restsubstanz ihrer geliebten Verstorbenen stets sehr nahe sein. Durch diesen kleinen Umweg über die liberale Schweiz können die deutschen Hinterbliebenen den letzten Willen ihrer geliebten Verstorbenen mit ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen in Übereinstimmung bringen.
    (Quelle: postmortal.de)

    Uns erinnert dieses „Urnenschmuggeln“ an den wunderbaren Roman „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ , den unser Lieblingsautor Thomas Brussig zum gleichnamigen Film von Leander Haussmann schrieb.
    Darin überquert ein westdeutscher Angehöriger mehrfach die damalige Zonengrenze und schmuggelt Kaffee und Damenstrümpfe (am Körper tragend!), obwohl er diese Dinge auch legal in den Osten hätte einführen können. Als er schliesslich stirbt und in West-Berlin eingeäschert wird, schmuggelt seine ostdeutsche Verwandte seine Asche in einer Kaffeedose heim nach Ostberlin. So viele Jahre hatte er Kaffee geschmuggelt, jetzt wurde er selbst geschmuggelt. Vom Schmuggler zur Schmuggelware, eine ost-westdeutsche Blitz-Karriere.

  • Kaffee zollfrei ausführen
  • Aus aktuellem Anlass erinnern wir hier noch an die Verbrauchsmenge Kaffee, die zollfrei in die Schweiz ein- bzw. aus der Schweiz ausgeführt werden darf. Ein Pfund d. h. 500 gr pro Person und Tag sind möglich. Speziell für die Ausfuhr sollte die Dose gut verschlossen und senkrecht stehend transportiert werden. Damit die Goldzähne nicht scheppern.

    

    11 Responses to “In der Schweiz als Asche in den Bach — Aus der Schweiz raus in der Urne”

    1. Daniela Urne Says:

      klasse Beitrag! Der Vergleich mit dem Kaffee „hingt“ zwar etwas, ist aber auch zutreffend 😉
      Jaja, die lieberale Schweiz! Unsere Bestattungsgesetze sind sicher schon längst überholt- ich denke mal noch 2-3 Jahre abwarten, dann werden die ersten Bundesländer das umdenken bekommen.

    2. AnFra Says:

      Nun, dieser seltsame Friedhofszwang in D hat eine noch seltsamere und extrem üble Entstechungsgeschichte. Wie noch leider viele in heuriger Zeit gültigen Gesetze, Verordnungen und Richtlinien in D werden diese nicht noch „1.000 Jahre“ in Gültigkeit bleiben.

      Diese Dinge, wie z. B. Friedhofszwang, Kaminkehrerzwangsanschluss, Meisterzwang für damals alle Selbstständigkeiten in den verschiedenen Handwerkberufen, Zwangsmitgliedschaften in den Handels- und Handwerkskammern, Heilpraktiker, Arzt-, Tierarzt- und Apotheker-Zulassungs(un)wesen, GmbH-Gesetze, usw. usw. sowie als der allerhärteste Hammer, die Monopolisierungszusammenrottung der Strom-, Gas-, Kohle- und Wasserlieferanten „verdanken“ wir meist in der Zeit ab 1933 dem Onkel Wolf aus Braunau und der nationalsozialistischen Mörderbande!
      Zweck und Absicht: Wiedereinführen der guten altdeutschen Handwerkszünfte und Handelsgilden und dem übrigen historischen Mumpitz .
      Als allerschlimmste Sache in D denke man auch noch an das „Überbleibsel“ der leider noch derzeit im Strommarkt monopolisierenden „Vier bösen allmächtigen Schwestern“!!!!!

      All diese wirtschaftpolitischen Maßnahmen beruhten wie z. B. beim Friedhofszwang als rassisch-nationale Zwangsbeglückung zur einheitlichen „germanisch-nordischen“ Kulturkonzentrierung oder bei den anderen Wirtschafts- und Energieentscheidungen als „Gesetzgebungen für die Wehrwirtschaft “ in versteckter und / oder offener Form als klare Kriegsvorbereitung.

      Am 08. Mai 1945 ging das verbrecherische III. Reich unter, allzu viele der deutschen Verwaltungsjuristen überlebten leider diesen Untergang, haben sich sogar geschlechtslos weitervermehrt und konnten diese Nazierrungenschaften z. T sogar 1:1 in das neue Deutschland rübergerettet.

      Und da gibt es noch naive Leutchen, die sagen, das 1.0000-Jährige Reich sei untergegangen! Welch ein Hohn! In diesen Strukturen lebt es munter weiter. Das Ende kommt doch wohl erst in ca. 930 Jahren!?
      Trost: Durch die EU wurden und werden glücklicherweise doch immer mehr dieser sinnlosen und überflüssigen hohlen Gesetze uam. mindestens aufgeweicht oder sogar vermehrt beseitigt. Ein wunderschöner Vorteil der EU: Die deutschen konservativen Kräfte können sich nicht hinter einem deutschen Sonderweg verstecken.

      PS:
      Interessant ist, wenn man die damalige Achsenmächte untersucht, wird man feststellen: Wo der vergleichbare Wahnsinn innerhalb Europas herrschte, wie z. B. im national-faschistischen Österreich und im faschistischen Italien gilt immer noch heurig der Friedhofszwang.
      Aus der Achse des Bösen wurde die Achse der zwangsbeglückten Aschenspur.

    3. neuromat Says:

      mit GPS zum Gemeinschaftsgrab:

      http://videoportal.sf.tv/video?id=fb82acf3-cdb4-492b-b111-53973fb2e8b3

    4. mista lovalova Says:

      http://www.derbund.ch/bundprint/Mundart-BuescheliTag/story/19205794

      hie hesch no paar nöi usdrück 😉

    5. Smilla Says:

      Passt denn die Asche eines Menschen in eine 500g-Kaffeedose? Von daher ist unklar, ob die Sonnenallee-Variante aus der Schweiz Richtung Deutschland funktionieren würde.

    6. neuromat Says:

      die passt da rein

    7. AnFra Says:

      @smilla und neuromet

      Die 500 g-Kaffeedose könnte etwas knapp werden. Da müsste man die Asche etwas verdichten.
      Im techn. Mittel kann man wohl von 600-800 g Rest ausgehen. Die Ersatz- und Austauschteile bitte nicht vergessen. Die bringen Volumen, Gewicht und bei der Knochen-Mühle dann auch noch Probleme.

      Also noch ne ½ Pfund-Tüte zur Abfüllung mitnehmen!

    8. Smilla Says:

      @Anfra:
      Vielen Dank für die Auskunft! Ich glaube, ich belasse es auch in Zukunft bei einer 500g-Packung Filterkaffee, die ich ab und an aus Deutschland mitbringe.

    9. AnFra Says:

      @Smilla

      Darfst nicht denken, meine Schreibe hätte eine morbide Basis.

      Habe vor etlichen Jahren mich mit einer komplett und schnell zerlegenden „biologisch-natürlichen“ Urne für Menschen und Haustiere beschäftigt und entwickelt. Nach gewissen anfänglichen Irritationen ist dies eigentlich sogar eine sehr interessante Sache.
      Eine unbekannte Welt von Bräuchen, Vorstellungen und Erwartungen sowie die von den meisten Menschen verdrängten Geschäftsbedingungen vom „Gevatter Hein“ kennen zu lernen.

      Man wird danach so bescheiden. Hält aber nicht für alle Zeit.

    10. Smilla Says:

      @Anfra:
      Nein, das denke ich nicht von Dir.
      Habe mir überlegt, ob ich eine Urne in Haus oder Wohnung haben wollte und sehe das eher skeptisch.
      Ich kann mir vorstellen, dass sich die Beschäftigung mit dem Thema so ausgewirkt hat, dass Du gelassen(er) geworden bist, was jetzt keine Wertung von Deiner Person sein soll, was es ja nicht sein kann, sondern etwas, das ich auf mich übertragen kann.

    11. Micha von Sima Says:

      Ein interessanter Beitrag. Über die rechtlichen Potenziale der Schweiz war ich noch gar nicht informiert. Danke.