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Weise mir Herr Deinen Weg — Wegweise in der Schweiz

(reload vom 9.8.06)

Weise mir, Herr, deinen Weg dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.
Psalm 86,11

  • Kirchen in der Schweiz
  • Die Schweiz ist kein rein reformiertes Land, wie wir erst kürzlich erfuhren, sondern es gibt auch sehr katholische Teile, wie den Kanton Luzern. Hinzu kommt die grosse Anzahl von 600 Freikirchen mit 150.000 Mitgliedern, die sich selbst als „Dritte Kraft“ zwischen den zwei grossen Kirchen verstehen (vgl. Freikirchen.ch)

  • 6 bis 10 Prozent Freikirchler mancherorts
  • Diese Freikirchen sind in bestimmten Gegenden stärker vertreten als anderswo, so z. B. in und um Winterthur:

    Knapp 3000 Personen in Winterthur gaben bei der letzten Volkszählung an, zu einer Freikirche zu gehören. Das sind 3.3 Prozent, was deutlich über dem Landesdurchschnitt von 2.2 Prozent liegt. In umliegenden Gemeinden wie Schlatt, Henggart, Truttkon oder Hüntwangen liege der Anteil der Freikirchler sogar zwischen 6 und 10 Prozent,(…).
    Damit sei diese Gegend eine „Hochburg der Evangelikalen“ – vergleichbar nur mit Teilen des Kantons Bern. (…)
    (Quelle: Artikel des Tages-Anzeigers, zitiert auf jesus.ch)

  • Wer weisst uns da den Weg?
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 19.07.06:

    Überarbeitetes Polizeigesetz mit klareren Regeln für Wegweisung
    (…) Umstritten war an dem Artikel vor allem die Wegweisung von Personen, die «die durch ihr Verhalten beim Publikum, namentlich bei Passanten, Anwohnern oder Geschäftsinhabern, begründet Anstoss oder Furcht » bewirkten.

    Diesen Personen weisst die Polizei nicht „den Weg“, sondern schickt sie „weg“. Gelesen sieht das fast gleich aus, wäre da nicht die Grossundkleinschreibung. „Platzverbot aussprechen“ heisst das in Deutschland. Und das wird nicht für zu prall aufgepumpte Luftballons ausgesprochen, sondern immer dann, wenn jemand „fehl am Platz“ ist:

    Nur gelegentlich müssen die Bibliothekarinnen Streit schlichten oder ein Platzverbot aussprechen. Einmal mussten sie die Polizei rufen, als eine Gruppe Mädchen randalierte.
    (Quelle: taz.de)

    Nur grade 262 Belege bei Google-CH im Vergleich zu 12.000 Bei Google-DE machen deutlich, dass „Platzverbot“ eine deutsche Angelegenheit ist.

  • Lichtstrahl, Regal, Speiche oder Wabe? Rayonverbot in der Schweiz
  • Zum Platzverbot sagen die Schweizer Behörden „Rayonverbot“, was uns am Anfang etwas verwirrte, denn das französische Wörtchen „rayon“ kann auch „Lichtstrahl“ heissen, oder „Regal“. Ist damit der Sonnenschein verboten? Oder das Warenregal im Supermarkt? Gemeint ist beim „Rayonverbot“ jedoch der „Umkreis“, der Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet. Es muss nicht unbedingt immer ein Platz sein, wie in Deutschland. Google-CH findet 597 Stellen.
    Damit ganz klar ist, um was es beim Schweizer Rayonverbot geht, gibt es dazu auch ein Merkblatt:

    Merkblatt: Rayonverbot
    Vermehrt haben wir festgestellt, dass unter dem Begriff „Rayonverbot“ ganz Unterschiedliches verstanden wird. Das Rayonverbot bzw. die Ausgrenzung von Personen, die keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzen, ist in Artikel 13e des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) verankert. Der Gesetzestext lautet:
    „1 Die zuständige kantonale Behörde kann einem Ausländer, der keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt und der die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder gefährdet, insbesondere zur Bekämpfung des widerrechtlichen Betäubungsmittelhandels, die Auflage machen, ein ihm zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen oder ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten.
    (…)
    (Quelle: Merkblatt Rayonverbot)

    Ganz im „Bannstrahl“ des Gesetzes also. Es geht nicht nur ums „Wegweisen“, sondern auch ums Bleiben in einem Gebiet. Dessen Grenzen werden mit Laserstrahlen, den „rayons laser“ kenntlich gemacht, vermuten wir mal.

  • Bleib nicht am Rand stehen
  • Die Schweizer Behördensprache kennt noch einen weiteren Begriff, den wir erst lernen musste. Es geht um Menschen, die in der Schweiz immer am Rand stehen. Am Rand des Schwimmbeckens, am Rand der Street Parade, am Rand des Bahnhofsplatzes. Es sind hier keine Penner, Obdachlose oder Stadtstreicher wie in Deutschland, sondern „Randständige“. Für sie gibt es in er Stadt Zürich eine spezielle Einrichtung:

    Treffpunkt city für Randständige
    Der Treffpunkt city bietet sozial randständigen Menschen mit sehr niedrigem Einkommen und einem meist schlechten gesundheitlichen und psychischen Zustand Aufenthaltsmöglichkeit, günstige Verpflegung und stundeweise Beschäftigung an. Im Rahmen der Einzelfallhilfe erhalten die Besucherinnen und Besucher Beratung, Unterstützung und Vermittlung. Mindestens einmal pro Monat finden gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen statt, bei deren Organisation die Besucherinnen und Besucher miteinbezogen werden.
    Der Treffpunkt city ist täglich von 10.15 bis 17.30 Uhr geöffnet.
    (Quelle: Treffpunkt für Randständige)

    Wir finden es besonders bemerkenswert, dass Randständige sich über dieses Angebot der Stadt Zürich im Internet schlau machen können, den Online-Zugang auf der Parkbank mal locker vorausgesetzt. Vielleicht zählt ja beim Angebot der „stundenweisen Beschäftigung“ auch ein Computerkurs dazu?

    

    One Response to “Weise mir Herr Deinen Weg — Wegweise in der Schweiz”

    1. AnFra Says:

      Wunderbar, wie sich der „Rayon“ und die „Randständige“ in diesem Thema so treffend und ergänzend paaren.

      Der „Rayon“ als Entwicklung aus dem alten lat. „rai“ für „Radius und Strahl“ ergibt nun die sprachlich, soziologisch und historisch schön ableitbare Herkunft.
      Nun wissen wir: Die „bürgerlichen Kreise“ bewegen sich in ihren oft spießig-miefig-geschlossenen „Kreisen“. Die „untersten Kreise“ als vom „Rayonverbot“ stigmatisierten Nichtse stehen am „Rand des Rayons / Kreises“ und schleichen mit sozialen Erwartungen am „Umfang des Kreises“, wobei sie wenig barmherzigen Apparatschiks der Verwaltungshierarchie erleben.

      In etwas geänderten Form erscheint der Begriff „Rayon“ für den „Kreis“ auch in der dt. Verwaltungssprache. Die Habsburger verwendeten den Begriff „Rayon“ in einer verwandten Bezeichnung als „Circulum“ für die jeweiligen Verwaltungsgebiete in den böhmisch-schlesischen Landen, welche nach der Übernahme der Provinz Schlesien durch die Preußen in die gleichbedeutende eingedeutschte Bezeichnung „Kreis“ gewandelt wurde, also die heutigen dt. „Landkreise“.

      Die „Randständigen als untere Kreise“ haben den „höheren Kreisen“ etwas voraus: Sie sind aus dem dauernden „Kreislauf“ heraus.