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Oslo ist nicht in Finnland — Vergleich zweier Nachbarländer

  • Oslo liegt nicht in Finnland
  • Kurz vor Weihnachten erfuhr ich, dass ich im Januar beruflich nach Oslo reisen darf. Eine kurze Umfrage bei den Kollegen im Zürcher Büro ergab: 50 % meinten „Oslo liegt in Norwegen“, die andere Hälfte sagte „Oslo liegt in Finnland“. Ja, aber wenn Oslo in Finnland liegt, wo liegt dann eigentlich Helsinki? Eben. Oslo ist die Hauptstadt von Norwegen, bekannt durch die Nobelpreisverleihung und … Ja, durch was eigentlich? Eine grosse Unbekannte, diese Stadt genau wie dieses Land. Es gibt viele Berge mit Schnee, genau wie in der Schweiz.

  • Der grosse Nachbar erdrückt
  • Der Wirtschaft ging es bisher gut, wie in der Schweiz, jedoch nicht wegen der Banken sondern wegen der Erdölvorkommen in der Nordsee. Nebenan gibt es einen einwohnerstarken und kulturell fast erdrückend grossen Nachbarn, der fast die gleiche Sprache spricht. Eine Situation ähnlich wie in der Schweiz, nur das hier Schweden die Rolle von Deutschland spielt. Die Schweden kommen en masse nach Norwegen zum Arbeiten, wie die Deutschen in die Schweiz, und machen all die Jobs im Gastgewerbe und im Hotelfach, für die sich keine Norweger mehr finden. Nur was das Selbstbewusstsein gegenüber den Nachbarn angeht, da könnten die Schweizer noch etwas von den Norwegern lernen. Kommt vielleicht einfach daher, dass Norwegen grösser als Schweden ist.

    Norwegisch ist sehr schwierig
    (Norwegisch ist gar nicht so kompliziert, wie man hier sieht)

  • Fast jeder spricht Englisch
  • Norweger verstehen Schwedisch sehr gut, auch weil sie schwedischen Fernsehen empfangen können. Andersherum müssen sich Schweden in die norwegischen Dialekte erst einhören. Norwegisch wird oftmals völlig anders geschrieben als gesprochen, die Dialekte weichen stark von der Schriftsprache ab, auch das ist eine Parallele zur Situation in der Schweiz. Betritt ein Ausländer einen Raum, sprechen die anwesenden Norweger untereinander sofort auf Englisch weiter, aus Höflichkeit und mit grosser Leichtigkeit. Oftmals sprechen sie auch weiterhin Englisch, wenn die nicht norwegisch sprechenden Ausländer den Raum wieder verlassen haben, weil sie nicht mehr dran denken die Sprache zu wechseln.

  • Ein Bier für 12 Franken
  • Den modernen Airport-Train „Flytoget“ (Zug = „tog“, oder „fly-to-get“) zum Flughafen von Oslo können sie beim Verlassen des Bahnsteigs mit einer Kreditkarte in Sekundenschnelle bezahlen, gleiches gilt für ein Taxi. Oslo hat übrigens gleich drei internationale Flughäfen. Geflogen wird im Land viel, denn bis zum Nordkap im Norden sind es auf der Strasse 1969 Kilometer, ungefähr genauso weit wie bis nach Mailand, nur in die andere Richtung.

    Schwierig ist es in Norwegen nur, sich mal eben eine Dose Bier zu kaufen. Kein Kiosk und kein Supermarkt verkauft Alkohol. Den gibt es nur in staatlichen Monopolgeschäften, die früh am Abend schliessen, zu sehr hohen Preisen. Wer nach Ladenschluss noch Lust auf ein Bier hat, muss in eine Bar oder Kneipe gehen und bezahlt dort 12 Franken für ein Glas. Was glauben Sie, wie langsam Sie das austrinken werden.

  • Ohne Kronen keinen in der Krone
  • Angetrunkene Jugendliche am Samstagabend in der Stadt sieht man bei 17 Grad minus sowieso wenig, und anders als in Finnland haben die Norweger keine ausgeprägte Sauna-Kultur, um sich auf diese Art aufzuwärmen. Bezahlt wird in Norwegen nicht in Euro sondern in Kronen, und wenn Sie für die erste Taxifahrt ein paar Hundert Kronen gezückt haben (eine Krone = 16 Rappen), verlieren sie jedes Gefühl für Geldmengen, so wie früher in Italien, als es die Lira noch gab.
    Gewöhnungsbedürftig ist die durch die Nähe des Polarkreises verkürzte Tageszeit. Jetzt im Januar geht die Sonne gegen 10:00 Uhr auf und ab 14:00 Uhr können sie bereits wieder einen wunderbaren Sonnenuntergang über dem Fjord bewundern. Norweger schauen täglich in der Zeitung nach, um wieviele Minuten die Sonne früher aufgeht. Im Sommer dann sehnen sie sich nach der Dunkelheit, wenn es auch um Mitternacht hell genug ist zum Zeitunglesen.

  • Whü are Yü?
  • Zeitunglesen macht Spass, denn meistens lassen sich mit Deutschkenntnissen 60 % der Artikel erschliessen. Norddeutsche mit Niederdeutschkenntnissen sind dabei im Vorteil. Ein Feuerwehrschlauch ist eine „Brannslange“ und „ledig“ kann ein unbesetztes Zimmer genauso wie ein arbeitsloser Mensch sein, nur die unverheiratete Frau ist es nicht. Probleme haben Norweger mit Vokal „u“, der wird immer zu „ü“. Der Satz „Who are you?“ wird dann leicht zu „Hü are yü“. Ausgang heisst „Utgang“ und Sicherheit = „Sikkerhet“. Noch Fragen? Die Frage, warum Norweger zum Skifahren in die Schweiz kommen, wo sie doch selbst ausgezeichnete Skigebiete haben, blieb ungeklärt. Wahrscheinlich weil es hier wärmer ist und länger hell. Der Preis für Alkoholika spielt ganz bestimmt keine Rolle bei dieser Wahl des Ferienortes.

    

    8 Responses to “Oslo ist nicht in Finnland — Vergleich zweier Nachbarländer”

    1. Thomas Says:

      Weitere Gemeinsamkeit: Auch Norwegen ist nicht in der EU. Was den Bierpreis angeht: da ist Zürich gar nicht weit davon entfernt, zumindest in diesen ‚inLokalen‘ 😉

    2. relies Says:

      Das Biermonopol ist mittlerweile gefallen, es gibt normales Bier (zu zugegeben recht waghalsigen Preisen) im Supermarkt zu kaufen. Leichtbier mit bis zu 2,4% Alkohol gab es dort übrigens schon lange. Wein und Hochprozentiges ist aber nach wie vor nur im Vinmonpol zu haben, einem staatlich kontrollierten Laden, der zum Glück mittlerweile meist auch aussieht wie ein Laden und nicht wie eine Apotheke mit Bedienungstresen. Wobei die Preise dann wieder mehr an Letztere erinnern.
      Vorsicht übrigens beim Mitbringen von sehr Hochprozentigem: Der 80%ige Stroh-Rum beispielsweise soll dort bereits unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, dies hat man mir jedenfalls erzählt…

    3. willi Says:

      Hej, hur läget? Ja, das war Schwedisch;-) Und was die Sprachverwandschaft angeht, da sind sich die Schweden und Norweger sehr ähnlich und verstehen sich gut, also nix mit, die Schweden müssen sich zuerst reinhören! Es gibt einige Wörter, die zwar gleich geschrieben werden, doch was ganz anderes bedeuten! Z.B. das schwedische Wort „flicka“(Mädchen) wird im Norwegischen zur „pike“, doch „flicka“ heisst dann eben „leichtes Mädchen“, dt. besser bekannt, als Bordsteinschwalbe;-) Ein weiteres Wort, was zur Verwirrung führen kann ist das Wort „rolig“, im schwedischen bedeutet das „lustig,drollig“,doch im Norwegischen „ruhig“! Es gäbe da noch so manches Beispiel…diese Sprachveränderung hat wohl damit zu tun, dass Norwegen durch die vielen Fjorde und Bege von Schweden sprachlich jahrelang getrennt gewesen ist. Das Norwegische ist somit sprachlich näher bei dem Dänischen, die auch das selbe Alphabet haben!

      Hier wird der Blogwiese geholfen:
      http://de.wikipedia.org/wiki/Norwegische_Sprache
      http://de.wikipedia.org/wiki/Schwedische_Sprache
      http://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%A4nische_Sprache

      Als halber Schwede habe ich da eben keine Probleme meine norwegischen Freunde zu verstehen, doch als Deutscher steht man halt wohl auf Klischee’s;-)

      also dann hej då!

      [Anmerkung Admin: Danke für die Klarstellung. Ich habe nur zitiert, was mir diverse Schweden bzw. Norweger dort erzählten. ]

    4. Simone Says:

      Ganz so unkompliziert geht es unter den Skandinaviern nicht immer zu. Sie verstehen sich, aber speziell Norweger würden niemals von sich behaupten, Schwedisch zu sprechen, sofern sie nicht einen Kurs absolviert haben. Ich wurde mal sehr gelobt, da ich neben Norwegisch auch Schwedisch konnte, wobei ich heute (glaube ich) besser Schwedisch kann.

      Trotz der vielen Dialekte, die sie lieben und pflegen, gibt es zwei offizielle Landessprachen und man greift in der Schriftsprache nicht etwa auf Altnordisch zurück. In beiden Landessprachen gibt es massenhaft Literatur, Norwegen ist „eine literarische Insel“, wie ein einheimischer Dichter einmal bemerkt hat. Kein Norweger beschwert sich über den Gebrauch des Bookmaal, mit Nynorsk ist es dann schon wieder anders.

      Jens, Du kannst ja schauen, ob es da irgendwo „Lettoel“ gibt. Das ist billiger, da ist weniger Alkohol drin und das geht dann auch nicht so auf die Hüfte…

    5. Guggeere Says:

      @ Jens
      Die Hälfte der Bürokollegen weiss also nicht mal, wo Oslo liegt …
      Das erinnert mich an eine Fernsehsendung (RTL?), die ich vor ein paar Monaten gesehen habe. Dort wurden Touristen am Flughafen und an ihrem Ferienziel über das Land befragt, in das sie reisen bzw. in dem sie sich befinden. Es war grauenhaft: Ein Grossteil konnte auf einer Karte das Ferienland nicht zeigen, Mallorcafahrer nannten gleich haufenweise Mailand als spanische Hauptstadt. Touristen am Roten Meer wähnten sich am Mittelmeer; einer behauptete sogar, er sei am Schwarzen Meer. Er wisse es genau, schliesslich sei er schon zum 20. Mal da.
      Solches lässt mich fassungs-, rat- und hoffnungslos zurück. Gibts irgendeinen Bildungsoptimisten, der mir da raushelfen kann?

      @ Willi
      Der Unterschied zwischen «flicka» in Schweden und Norwegen entspricht demnach jenem zwischen der Dirn in Bayern und der standarddeutschen Dirne / Bordsteinschwalbe. Letzteres Geflügel besetzt in Deutschland offenbar dieselbe ökologische Nische wie die Trottoiramsel in der Schweiz.

    6. Eric Says:

      Für Norweger ist die Schweiz ein wahres Billigurlaubsland (so hat es mir ein Norweger selbst erzählt).

      Laut wikipedia beträgt das Bruttoinlandsprodukt in Norwegen pro Kopf aktuell nämlich 95.615 US Dollar, in der Schweiz hingegen „nur“ 58.084 US Dollar.

      Tja das hätte der Schweizer nun nicht gedacht.
      Und die japanische Bahn ist auch pünktlicher..

    7. Oranje Says:

      An Eric
      Von welchem Schweizer sprichst du?
      Und was die japanische Bahn angeht, hier ein Link:
      http://www.tagesschau.de/ausland/meldung185502.html

    8. Allmechtna Says:

      „Norwegisch wird oftmals völlig anders geschrieben als gesprochen“

      Schwedisch aber auch! Kein Unterschied. Dazu kommt noch der für mich so tönende „Singsang“ der einen immer ein wenig wirr macht.