Der Fünfer und das Weggli — Neue alte Schweizer Redewendungen
(reload 21.04.06)
Das Ortsbezeichung „Weiler“ [mhd. wīler] kommt laut unserem Duden von mlat. villare = Gehöft, zu lat. villa = die Villa. Also stand einst eine Römervilla, wo heute ein „-Wil“ im alemannischen Siedlungsraum zu finden ist. Der Ort „Rapperswil“ ist somit der Weiler aller Rapper? Oder hat der Name doch nichts mit Musik, aber mit kleinen Geldstücken zu tun? Ganz falsch, denn die Rapperswiler waren ein Ostschweizer Adelsgeschlecht, das um 1200 den Ort Rapperswil SG (es gibt noch eine gleichnamige Gemeinde in BE) gründete und 1238 gleich wieder ausstarb.
Die Schweizer haben den Franken und die Rappen. Nicht des „Schusters Rappen“, mit denen man zu Fuss gehen kann, weil es sich bei diesen nicht um schwarze Pferde sondern um Schuhe handelt, sondern die kleinen runden Dinger aus dem Portemonnaie, zu dem die Deutschen seit 1871 lieber Geldbörse sagten. Der Name für die Münze hat allerdings mit schwarzen Pferden gar nichts zu tun:
Die Bezeichnung „Rappen“ geht ziemlich eindeutig auf einen Ursprung zurück: Der in Freiburg ab dem 13. Jahrhundert geprägte Pfennig zeigte ursprünglich einen Adler, der dann zum Raben mutierte. Dieser Münztyp des (Raben-)Pfennigs war am Oberrhein sehr verbreitet. Im so genannten Rappenmünzbund von 1377 schlossen sich zahlreiche Münzstätten zusammen, darunter der Bischof von Basel auch für seine Münzstätte in Breisach; im Elsass Colmar und Thann; aus der heutigen Schweiz die Städte Basel, Schaffhausen, Zofingen, Zürich, Bern, Solothurn sowie Freiburg im Breisgau und weitere Gebiete im Breisgau und im Sundgau. Das Ziel war, ein einheitliches Münzwesen und damit wirtschaftliche Erleichterung zu schaffen. Der Rappenpfennig war darin die Hauptwährungseinheit.
(Quelle: Wiki)
Wenn wir dieses Kapitel der Wirtschaftsgeschichte des Oberrheins lesen, das sich in dieser Gegend nach Verschwinden der Zähringer abspielte, fühlen wir uns mächtig erinnert an die Gründe für die Einführung des Euros: „Einheitliches Münzwesen und damit wirtschaftliche Erleichterung“.
Eine Kuriosität beim Schweizer Kleingeld ist das Phänomen, dass ein ½ Franken, also 50 Rappen, zwar fünf Mal soviel wert ist wie ein Zehn-Rappenstück, aber dennoch einen kleineren Durchmesser hat. Das soll einer verstehen. Diese kleinen halben Franken verlieren sich folglich leicht in der Geldbörse im Portemonnaie.
(Quelle: www.lexas.biz)
Das 5 Rappenstück zeigt den Kopf der Libertas , der personifizierten Göttin der Freiheit. Die gute Frau hat übrigens nichts mit der „Helvetia“ zu tun, mit der sie häufig verwechselt wird.
Hier die genauen Masse der Rappenstücke, nur falls Sie sich mal eins selbst aussägen, schnitzen oder giessen möchten:
5 Rappen Libertas-Kopf (…) Aluminiumbronze 17 mm 1.8 g
10 Rappen Libertas-Kopf Kupfernickel 19 mm 3 g
20 Rappen Libertas-Kopf Kupfernickel 21 mm 4 g
½ Franken Stehende Helvetia Kupfernickel 18 mm 2.2 g
(Quelle: Wiki)
Hierzu erhielten wir eine Mail direkt von der swissmint, die wir hier gern zitieren:
Als im Jahre 1850 das Münzwesen in der Schweiz vereinheitlicht wurde, lehnte sich die neue Münzeinheit der Schweizer Franken eng an das französische Münzsystem. Dabei wurde der Franken wie folgt definiert: 1 Schweizer Franken = 5 Gramm Silber 900/000 fein. Da anfänglich alle Frankennominale vollwertig ausgeprägt wurden, bestand ein halber Franken demzufolge aus Silber 0,900 und war 2,5 Gramm schwer. 1875 wurde der Feingehalt des 1/2-Franken-Stückes auf 0,835 reduziert und die Prägung damit zur Scheidemünze (nicht vollwertig ausgeprägte Münze – das Gewicht blieb gleich), seit 1968 ist der Halbfränkler aus Kupfernickel (Gewicht 2,2 g). Seine Abmessungen sind seit Beginn unverändert.
Auf den Fünfer wird abgerundet oder aufgerundet in der Schweiz, denn 1 Rappen-Stücke gibt es im Alltag so gut wie keine mehr. Die waren einst aus Bronze und hatten einen Durchmesser von 16 mm.
Swissmint evaluiert zur Zeit, ob der Fünfräppler (5-Rappen-Münze) abgeschafft werden soll, da die Produktion einer 5-Rappen-Münze 6 Rappen kostet und die Münze bei der Bevölkerung eher unbeliebt ist. Als Gegenargument wird die zwingende Preisänderung genannt, da die Preise mit grösster Wahrscheinlichkeit aufgerundet würden.
(Quelle Wiki)
Am 13. April schrieb der Tages-Anzeiger dann, dass der Fünfräppler doch nicht abgeschafft werden soll, anders als der Einräppler, welcher zum 1. Januar 2007 aus dem Verkehr gezogen wird. Wir haben ihn ehrlich gesagt noch nie gesehen.
Der Fünfer ist übrigens eine sehr begehrte Sache in der Schweiz. Zusammen mit dem Weggli, das wir in Deutschland als Brötchen, Schrippen, Semmel oder auch Wecken kennen, je nachdem in welchem hochdeutschen Gebiet wir unsere fein geschliffene und vor allem stets mit Politur gepflegte Sprache gerade sprechen. Alle wollen den Fünfer und das Weggli haben. Es finden sich bei Google-Schweiz 151 Fundstellen zu dieser Formulierung
Es ist eine Art von Politik:
Dies ist eine klassische Fünfer und Weggli-Politik auf dem Buckel der Mieterinnen und Mieter.
(Quelle sp-zug.ch)
Eine universelle Lösung für viele Probleme:
Auf der Suche nach der Fünfer-und-Weggli-Lösung sind wir nun einen Schritt weiter gekommen.
(Quelle: kocherhans.ch)
Das wäre die Fünfer-und-Weggli-Lösung gewesen, nämlich eine staatliche Unterstützung ohne Staatseingriffe.
(Quelle: parlament.ch)
Oftmals finden wir noch ein „das“ dabei:
Der Fünfer und das Weggli
(Quelle: www.tagesanzeiger.ch)
Auch umgedreht:
Nein, Sie wollen „das Weggli und den Fünfer“
(Quelle: zuonline.ch)
So könnten wir munter weiter Quellen zitieren, denn für „Fünfer unds Weggli“ gibt es bei Google noch 22 weitere Belege.
Und für „Fünfer und das Weggli“ sogar 517 Stellen! Aber wir lassen es, denn sonst mutieren wir noch zur „Googlewiese“, und stattdessen war ja genfreie Genialität vorhergesagt für heute.
Sie müssen diese Kombination mögen, die Schweizer. Wir mögen eigentlich lieber Marmelade und frische Butter auf dem Wecken, dem Brötchen. Aber hier geht es ja nicht darum, den Fünfer mit dem Weggli zu essen. Nein, der Ausdruck bedeutet: Man kann nicht alles haben. Wer das Weggli kaufen möchte, muss den Fünfer hergeben. Frei nach dem alten Motto: „Wenn Du nie was ausgibst, kannst Du auch nie was sparen!“
Das zeigt uns, aus welcher alten Zeit diese Redewendung stammen muss. In Deutschland hätten wir als entsprechende Redewendung nur anzubieten:
Man kann keinen Kuchen backen ohne Eier zu zerbrechen.
Das gibt es auch auf Englisch
You can’t have your cake AND eat it, too.
Merke: Wir Deutschen denken an Kuchen und Eier, wenn wir beides haben wollen, und die Schweizer hingegen an Geld (zuerst) UND an was zu essen. So einfach ist das.
Juni 27th, 2013 at 15:58
3’380 Ergebnisse gäbe es bei Google für „Batze und s Weggli“. Batzen wurden früher die Zehnrappenstücke genannt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Batzen
Juli 12th, 2013 at 10:37
Das bundesrepublikanische Äquivalent „Man kann keinen Kuchen backen, ohne Eier zu zerbrechen“ ist mir völlig unbekannt.
Aus einem etwas anderen Blickwinkel betrachtet, dürfte der Spruch „Einen Tod muss man sterben“ mit der Foifer-Weggli-
Redensart verwandt sein. Die Schweizer scheinen sich wohl sehr oft nicht mit dem Finger einer Hand oder mit dem Spatz
in derselben begnügen zu wollen, sondern nur mit der Eier legenden Wollmilchsau. Warum sonst müssen sie sich mit dieser
Parole so oft gegen Rosinenpickerei wehren?
Juli 16th, 2013 at 10:44
Früher gab es noch den Zweiräppler. Er bestand wie der Einräppler aus Bronze, war jedoch grösser als dieser und auch als das Fünfrappen-Stück:
http://de.wikipedia.org/wiki/Zweirappenst%C3%BCck
Die Anlehnung unseres Landes an die französische Währung ging früher noch viel weiter. Die Schweiz war nämlich seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts Mitglied der Lateinischen Münzunion. Die Vertragstaaten dieser Organisation vereinbarten damals einen einheitlichen Edelmetallgehalt ihrer Münzen und sicherten sich die gegenseitige Anerkennung derselben zu. Gegründet wurde die Union von Frankreich, Belgien, Italien und der Schweiz. Später trat noch Griechenland bei. Schon damals wurden berechtigte Zweifel an der griechischen Wirtschafts- und Finanzpolitik laut. Die Euro-Krise lässt grüssen ….
http://de.wikipedia.org/wiki/Lateinische_M%C3%BCnzunion
August 10th, 2013 at 14:26
Schweizer-Deutsch ist zumindest gesprochen eine eigene Sprache 🙂 Ich musste diese Erfahrung letztes Jahr machen, als ich in Lozanne war und merkte, dass ich die Einheimischen nicht vertehe… Zu meinem Leidwesen haben sie mich schon verstanden… Eine interessante sprachliche Erfahrung!
August 13th, 2013 at 18:56
Naja… man kann es drehen und wenden wie man will. Egal aus welcher Ecke man kommt, jeder hätte gerne sWeggli ohne sFoifi auszugeben. Wobei, das Weggli heute ja schon 22 Foifi kostet und ich gerne ein Foifi fürs Weggli ausgeben würde.
Fakt ist, Du hast es wiedermal prächtig erklärt und das Vorurteil zementiert, dass wir Rosinenpicker sind. Oder war der Kommentar die Ausnahme? 😉
August 19th, 2013 at 9:08
Der Vorwurf der Rosinenpickerei wird hauptsächlich im Zusammenhang mit den Beziehungen der Schweiz mit der EU erhoben. Er ist tatsächlich schon so etwas wie ein geflügeltes Wort geworden. Um was geht es?
Die Schweiz, ein souveräner Staat, hat mit der EU im Laufe der Zeit eine grosse Anzahl Verträge verschiedenster Art abgeschlossen. Eine ganz zentrale Rolle für die Schweiz spielt dabei die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt. Selbstverständlich haben bei der Aushandlung dieser Verträge beide Seiten ihre Interessen eingebracht; andernfalls wäre die EU nie zu einer Unterzeichnung bereit gewesen.
Die wenigsten dürften wissen, dass die Schweiz dabei auch beträchtliche finanzielle Verpflichtungen eingegangen ist. Sie zahlt nämlich jährlich fast 600 Millionen Franken für die Teilnahme an diversen EU-Programmen sowie den Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit der erweiterten EU. Steht der Beitritt weiterer Länder an (z. B. Kroatien), so fordert Brüssel jeweils schon im Voraus einen entsprechenden Beitrag von der Schweiz(!).
Da die Schweiz ausserdem Mitglied der Weltbank-Gruppe ist, hat sie im vergangenen Frühjahr nebst den üblichen Verpflichtungen dem Internationalen Währungsfonds 10 Milliarden US-Dollar für die Aufstockung des permanenten Euro-Rettungsschirms zugesichert.
Nun stellt sich die EU seit einiger Zeit auf den Standpunkt, dass die Schweiz bei künftigen Abkommen die spätere Weiterentwicklung des EU-Rechts im betreffenden Sektor automatisch übernehmen müsse; dem Vernehmen nach will sie diese Dynamik neuerdings sogar auf die bestehenden Verträge ausdehnen. Es versteht sich von selbst, dass die Schweiz dabei einen schleichenden Souveränitätsverlust erleiden würde. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Die überwiegende Mehrheit der Schweizer lehnt den Beitritt zur EU ab. Diese strebt nach der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion einen europäischen Bundesstaat an und kann angesichts ihrer stetig wachsenden Mitgliederzahl dem Nichtmitglied Schweiz keine neuen Sonderregelungen mehr gewähren. Das ist in der Tat ein strukturelles Problem und hat durchaus nichts mit schlechtem Willen der EU zu tun. Andererseits greift auch der Vorwurf Rosinenpickerei zu kurz. Wenn schon, müsste man der Schweiz vorwerfen, dass sie unabhängig bleiben will. Aber darauf könnte sie eigentlich nur stolz sein, finde ich.
September 5th, 2013 at 15:26
Wirklich sehr schöner Artikel. Hab nen neuen Kollegen der nur so redet… für mich als deutscher sehr schwer, er hat mir diesen Blog hier empfohlen 😀
September 21st, 2013 at 7:43
Timeout nach 60 Sekunden … da muss ich aber schnell tippen. Ich probiers. Den 5 Räppler finde ich wichtig, denn es ist ja schon eine schweizer Kuriosität, dass man überhaupt Beträge rundet. Mit 5 Rappen finde ich das noch ok, aber alles im Laden dann auf 10 zu runden sieht nicht nur seltsam aus, ich finde es auch nicht gut, denn alle anderen Länder haben diesen Rundungsmechanismus der Schweiz ja auch nicht.
September 26th, 2013 at 14:53
Ich liebe den Artikel und den Blog auch
September 29th, 2013 at 11:10
Ja stimmt. es gab auch 2-Räppler. diese wurden allerdings 1974 abgeschafft, die 1- Räppler blieben in Umlauf, jedoch sehr selten gebraucht. Die Konsumentenpreise wurden ja auf den 5er aufgerundet und angepasst.
Doch nichts destotrotz war der 1-Räppler ein gültiges Zahlungsmittel bis 2007. Und auch heute noch hat so mancher Eidgenosse noch ein 1-Räppler als Glücksbringer im Portemonnaie.
Oktober 1st, 2013 at 21:12
Lieber Herr Wiese,
haben Sie keine Lust mehr ohne keine Zeit – oder etwa ausgepowert?
Wir haben Oktober 2013!
Gruss
Reich
Oktober 23rd, 2013 at 14:10
Sehr schöner Artikel! Schweizer Deutsch gesprochen, ist für mich als Deutsche auch echt schwer zu verstehen. Der Artikel hat zumindest einige Unklarheiten beseitigen können 😀 Danke dafür!