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Rückwärts vorstellen und „Kehren“ statt „Umdrehen“

Die Schweizer stellen sich rückwärts vor, daran muss man sich als Deutscher erst einmal gewöhnen: Wenn als sich jemand mit Felix Kurt, Grüezi vorstellt, können Sie davon ausgehen, dass der Mann mit Familiennamen Felix heisst, und mit Vornamen Kurt.

Das sorgt häufig für Verwirrung: Peter, Hansruedi ist nicht Herr Hansruedi, mit Vornamen Peter, sondern Herr Peter, mit Vornamen Hansruedi.

Leider sieht man das Komma in der gesprochenen Sprache nicht.
So werden auch Briefe adressiert, und bei den Deutschen, die neu ins Land kommen, gehört ein gedrehter Name zur täglichen Erfahrung.

Apropos drehen: In der Schweiz wird nicht gedreht, sondern gekehrt.
Nicht mit dem Besen, die Strasse zu Beispiel. Die wird gefegt, nein, es wird die Reihenfolge gekehrt, nicht gedreht.

„Das können sie auch kehren!“ ist keine Aufforderung für eine Putzkolone, sondern die Bitte an Sie, etwas anders herum zu tun.

Wenn man ein paar Jahre im Land lebt, übernimmt man natürlich ganz unweigerlich diese Formulierung. In der Literatur von Schweizer Autoren ist die Verwendung von kehren statt umdrehen ein eindeutiger Beweis für die Herkunft aus der Schweiz. Bei Max Frisch oder Friedrich Dürrenmatt wurde das früher immer durch die Lektoren korrigiert. Heute gilt es als schick, Helvetismen im Text zu belassen.
Martin Suter oder Markus Werner liefern einige Beispiele dafür.

Schweizer haben einen ausgesprochen Sinn für Sprachökonomie. Viele Schweizer Formulierung sind deutlich kürzer als das Hochdeutsche Equivalent: kehren hat 6 Buchstaben, umdrehen hingegen neun. Kleines Land und kleine Wörter. So gibt es immer genug Platz für alles.



24 Responses to “Rückwärts vorstellen und „Kehren“ statt „Umdrehen“”

  1. Phipu Says:

    Von wegen rückwärts vorstellen: Schon mal „Bond, James Bond“ gehört? Das ist eben Sprachökonomie, „Bond“ wurde schon ausgesprochen, muss also nicht wiederholt werden.

  2. Phipu Says:

    Mir kommt noch ein ironischer Ausdruck zu „kehren“ in den Sinn: „Das hesch jetz aber grad verchehrt statt lätz gmacht“ = Das hast du jetzt aber genau andersrum statt falsch gemacht. Diese humorvolle Kritik ist heute vielleicht nicht mehr so üblich. „Lätz“ ist genau so wie „verkehrt“ ein Ausdruck für „falsch“ und kommt von „links“. Im Gegensatz zu „recht“ für „richtig/wahr“, worin man „rechts“ erkennen kann. „Sie hat recht, sich zu wehren“ oder „Isch es rächt gsi?“ Beim „Lisme“ (Stricken) pflegt meine Mutter noch zu sagen „eine rächt, eine lätz, eine rächt, eine lätz…“

  3. Sabine Says:

    Nun, nicht alle Schweizer haben eine solch „schweizerische“ Aussprachsweise, wie die Deutschen immer meinen. Und wer sowieso an der Grenze zu Deutschland wohnt, hat mit dem Deutsch überhaupt keine Probleme. Zu dem „Rückwärts vorstellen“ muss ich noch sagen, dass das eher in der älteren Generation so üblich ist. Alle unter 30-jährigen stellen sich entweder Vorname-Nachname vor oder nur den Nachnamen.
    Kehren und umdrehen…… die Sachen sind jeh nach dem Dialekt auch verschieden…. aber nicht zu viel der Kritik hier. Es ist immer wieder interessant über sich uns seine angeblichen Gewohnheiten etwas zu lernen. 😉

  4. Sandra-Lia Says:

    jap, drum cher i mi jetzt um, u mache witer ^^

  5. cello Says:

    @ Sabine

    Nicht nur in den älteren Generationen ist das „verkehrt vorstellen“ noch zu finden, sondern auch bei den lieben „Moatatalern“. Bei jungen Frauen und Männern wie bei älteren Moatatalern…

  6. Bruno Says:

    Wieso wird in diesem Blog von January geschrieden und nicht zum Beispiel von Jänner (ist, resp. war im alten Züri-Oberländerdialekt sehr gängig und die Oesterreicher haben es beibehalten. Wieso müssen oder haben wir uns dem Hochdeutschen Januar angeschlossen.
    Zum aktuellen Bsp. dieses Beispiel:
    Wo ist Meiers Peter? Diese Umkehrung scheint rechtens zu sein?

  7. Administrator Says:

    @Bruno
    das Template ist Englisch, und ich hatte noch nicht die Zeit und Lust, mich um eine Eindeutschung zu kümmern. Gute Inhalte sind mir wichtiger
    Gruss, Jens

  8. basler Says:

    @cello
    richtig. vor allem in der zentralschweiz ist das nach wie vor üblich. in basel findest du keinen unter 50, der sich so vorstellt.

  9. May Says:

    Lieber Jens-Rainer, ich gratuliere Dir zu Deinem Blog. Ich amüsiere mich köstlich. Es tut gut, einmal zu sehen und zu spüren, wie man von aussen gesehen wird.

    Zum Wort „kehren“ habe ich noch eine Anmerkung. Die Strasse wird weder gekehrt noch gefegt, sondern mit dem Besen gewischt. Im Haus wird mit dem Wischer gewischt. Gefegt wird mit einem Schrupper und Seifenwasser z.B. der Boden.

    Dann gibt es noch kehren im Sinne von wenden, z.B. ein Dachbettanzug wird gekehrt, bevor man ihn dem Dachbett (Duvet) überzieht. *lach* Jetzt merke ich erst, wie seltsam einige Wörter für Deutsche klingen müssen.

  10. Gustav Says:

    Woher kommt dieses Namenkehren – ganz einfach im Militär wurden früher die Rekruten bis zum geht nicht mehr so getrimmt, dass man sich immer mit Nachnamen vorstellt, den Vornamen hat da niemand interessiert. Bei gleichem Namen wurden diese einfach nummeriert, es gab dort keine Vornamen. Es scheint, dass entweder heute dies nicht mehr so gepflegt resp. gepaukt wird oder dann gehen einfach nicht mehr alle Jungens zum Militär und somit verliert sich diese Namensnennung.

  11. Henry Says:

    Die Schweiz ist fortschrittlich. Schon in alten Hollerith-Maschinen wurde nach Oberbegriffen und dann absteigend sortiert. Kein Formular einer Behörde beginnt mit dem 1. Namen; also eine Suchroutine weniger, oderrrr?

  12. mawi Says:

    Der Kehrplatz ist nicht ein Platz, wo man mit dem Besen wischt, sondern wo man mit dem Auto wendet.

    Die Büchse ist nicht eine Flinte, sondern ein Aufbewahrungsmittel (zB. Ravioli).

    Dieser Sprachgebrauch, vorallem der erste, empfinde ich aber als total falsch. Wenn auf einer offiziellen Verkehrstafel „Kehrplatz“ steht, dann muss ich mich wundern, ob da jemand bei der Bezeichnung einen Fensterplatz im Schulunterricht hatte. Sofern „Kehrplatz“ in der mündlichen Sprache gebraucht wird (mundart wohlverstanden), wird es tatsächlich als „Wendeplatz“ verstanden.

    Guter Blog!! Muss viel lächeln.. Vorallem wenn sich auch Muotathaler melden und man wieder einmal sieht, wie gross auch die regionalen Sprachunterschiede sind.. und trotzdem funktioniert alles.

  13. Chris Says:

    Hallo, Servus und Salü!

    Mit viel Interesse und Freude lese ich diesen Blog und wundere mich immer erneut über die Barrieren, welche offensichtlich durch Vorausurteile aufgebaut werden. Durch Kommunikation, repsektive diesem (und anderer) Blogs aber binnen kurzer Frist aber wieder abgebaut werden…

    Die sprachlichen Unterschiede empfinde ich als nicht arg so groß; dies mag jedoch daran liegen, dass ich viele deutschsprachige Dialekte kenne und ein eher klassisches Deutsch (bspw. die Türe anstatt Tür) verwende. Manche Besonderheiten anderer Dialekte wiegen m.E. schwerer, als die geläufigen Helvetismen – ich denke da an das Kölsch (mit welchem ich ehemals aufgewachsen war), das friesische Platt, das nur allzu beliebte Sächsische oder manche bayrischen (bzw. bairischen ;-)) lokalen Dialekte. Die quasi umgekehrte Reihenfolge der Namensnennung ist (zumindest) in Ober- und Niederbayern prinzipiell an der Tagesordnung – unabhängig des Alters.

    Nun, die Höflichkeiten sind aus meiner Sicht einer soziologischen Veränderung zum Opfer gefallen – nicht nur in Deutschland. Ich halte prinzipiell Türen auf, rufe niemals nach einem Kellner, bedanke mich mit einem vollständigen Satz – und falle innerhalb Deutschlands regelmäßig auf. Bei Auslandsaufenthalten (insbes. in Asien) empfinde ich derartige Umgangsformen glücklicherweise noch als Selbstverständnis.

    Und verschiedenartige, räumlich unterschiedliche Bedeutungen einzelner Termini ist in Deutschland und Österreich ebenfalls sehr unterschiedlich. Wurzeln sind in Norddeutschland die Möhren, Hähnchen heißen eigentlich überall irgendwie anders (bloß ist der ‚halve Hahn‘ in Köln kein solches) und in Westfalen sind die Türen los (nein, nicht ausgehängt, sondern schlichtweg offen). Kölner sprechen das Gotteshaus wie ‚Kirsche‘ aus – und auch sonst ist jedes ‚ch‘ durch ein ’s‘ in der Aussprache ergänzt (gleichwohl hört das geübte Ohr die feinen Nuanzen).

    Differenzen und Antipathien gibt es überall, Bayern gegen Österreicher, Nord- gegen Süddeutsche, Kölner gegen Düsseldorfer. Im Vergleich zu anderen geopolitischen Problemen muten diese jedoch m.E. eher kabarettistisch an. Sprache ist ein Mittel der Kommunikation; das Ziel ist, verstanden zu werden (entscheidend ist, was der Empfänger verstanden hat). Alles übrige ist ein Beiwerk wie eine geschmackvolle Einrichtung – und Geschmäcker gehen nuneinmal häufig weit auseinander.

    Das Thema ist zu lebendig und vielfältig, um abgeschlossen zu werden. Mittels Kommentaren wird dieser Blog hoffentlich noch lange aktiv gepflegt werden!

    Viele Grüße aus dem Land des Lächelns
    Christoph

  14. Thomas Says:

    Als Doppelstaatler (CH+D) verfolge ich die Diskussion über die sprachlichen Unterschiede mit großem Vergnügen …

    Und muss immer an den alten Scherz über Grossbritannien und die USA denken: „Two countries – seperated by a common language!

    Irgendwie ist’s bei den Tütsche und „dene Lüüt us d’r Schwyz“ ziemlich ähnlich.

    Gruss aus dem „grossen Kanton“

    Thomas

  15. Fredy Says:

    Jens, der Blog gefällt mir ausserordentlich gut, „är fägt“. Ein paar Themen sind ab und zu etwas zu einseitig beurteilt, was aber zum Schmunzeln verführt.

    An den Duden angelehnt passt in Schwyzerdütsch „kehren“ weit besser als „drehen“. So verstehe auch ich „umdrehen“ als eine Bewegung an Ort ohne anschliessende Vor-, Rück- oder Seitwärtsbewegung. So würde mir der Satz „gang bisch zum Änd vom Wäg u döt dräsch di um“ bedeuten, dass ich nach der Umdrehung stehen bleiben sollte, hingegen „gang bisch zum Änd vom Wäg u döt chersch um“ sagt mir, dass ich mich auf den Rückweg machen soll. In Deutsch heisst es ja auch „dort machst du Kehrt“ und nicht „dort machst du Dreh“ 🙂 Vielleicht will es ja niemand so genau wissen und es bleibt ein gewisser Interpretationsspielraum offen.

    Treffer in der Duden-Suche
    um|keh|ren : 1. kehrtmachen u. zurückgehen, -fahren usw. : auf halbem Wege u. …
    http://www.duden-suche.de/suche/abstract.php?shortname=fx&artikel_id=170398

    um|dre|hen : 1. a) [eine halbe Umdrehung weit] um die eigene Achse …
    http://www.duden-suche.de/suche/abstract.php?shortname=fx&artikel_id=170195

    „Am beschte red me, das isch gwüss, wie eim dr Schnabu gwachse isch“
    (Zitat eines Schriffstellers aus Österreich ins Sychwzerdütsch übersetzt)

    Gruss an die Blog Gemeinde
    Fredy

  16. Felix Says:

    Sälü zäme

    Muss doch auch immer wieder schmunzeln. Da kommt mir von wegen Sprachökonomie auch
    noch ein Beispiel in den Sinn aus dem Bärnbiet.

    „Entschuldigen Sie, könnten Sie das noch einmal wiederholen“ heisst uf Bärndütsch:
    „He“

    Gruess a alli
    Felix

  17. Felix Says:

    Sälü zäme

    Muss doch auch immer wieder schmunzeln über die Beiträge. Danke Jens

    Da kommt mir, punkto Sprachökonomie, auch noch ein gutes Beispiel in den Sinn us em Bärnbiet.

    „Entschuldigen Sie, könnten Sie das noch einmal wiederholen?“ Heisst uf Bärndütsch:
    „He“

    Gruess a aui

    Felix

  18. Ralf Says:

    Gibt es dann in der Schweiz – äquivalent zur schwäbsichen Kehrwoche – eine Wischwoche? *schmunzelnd* Ralf

  19. Janik Says:

    echt göttlich =D

  20. milota Says:

    @ May betr. kehren

    Nebst wischen mit dem Wischer (Wüscherli oder Beseli) und fegen mit dem Feger kann man auch flaumern mit dem Flaumer (Fluumer), was in etwa dem Staubwischen entspricht. Aber so ein Flaumer ist mitnichten ein knallfarbiger Staubwedel zum Krimskrams oder Bilderrahmen zu säubern, sondern ein motorloses Bodenputzgerät zum grossflächig Staub aufnehmen, solange der Einsatz von Wasser und Seife noch nicht angezeigt ist. Am ehesten vergleichbar mit dem Wischmop, Swiffer Dry oder wie die Werbung dem heute sagt (da wo man mit den weissen Socken über’s Parkett schleifen/schlittern kann).

  21. surfer Says:

    JA! Gut erklärt! Vor allem, weil hier mitlesende Nerddeutsche denken würden, es hätte etwas mit ihrem „Feudel“ zu tun 🙂

  22. surfer Says:

    sollte NORDdeutsche heißen ^^

  23. Mönä Says:

    Besonders verdreht ? 😉

    Peperoni – Paprika
    In der CH:
    Peperoni gelb, rot, grün, gefüllt, als Salat etc.
    Paprika:
    mildes / scharfes Gewürz
    In D: Paprikasalat?! Dachte zuerst das gäbe ne scharfe Sache;-)!

    Wischen – Fegen
    CH: „wüsche“ = trocken „fäge“= nass
    D: „wischen“= nass „fegen“ = trocken

    PS:“Kasten“: Da bewahren die einen z.B. den Besen oder die Kleider drin auf und das ganze hat Türen und ev. Regale (oder eben Tablare) etc…..die andern ein paar Flaschen Bier in Reih und Glied!

  24. Casanna Says:

    Also, jetzt muss ich aber etwas zu Mönä ergänzen:
    Bei uns im Prättigau (GR) sagt man zum Nass-wischen des Bodens nicht „fäga“ sondern „uufneh“, der Boden wird also „aufgenommen“. Ist das in anderen Teilen der Schweiz nicht gebräuchlich?

    Und den Getränkekasten kenne ich nicht als „Chaschta“, sondern wird bei uns als „Harass“ bezeichnet.