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Von Finken die stinken und Theken ohne Bier

Wer sein Kind in der Schweiz zur Schule schickt wird als erstes feststellen, dass hier im Durchschnitt erst ab dem 7. Lebensjahr eingeschult wird. Das kann zu merkwürdigen Situationen führen:

Unsere damals 6jährige Tochter ging in die erste Klasse und lernte ein 6 1/2 jähriges Kind auf dem Spielplatz (Schweizerdeutsch Spielli) kennen, das noch in den Kinski ging. Nicht Klaus Kinski, der Schauspieler und Vater von Nastasia Kinski, sondern Kindergarten war damit gemeint. Den Kinski besucht ein Kind im Alter von 5 bis 7, allerdings meist nur an 2-3 Stunden pro Tag, abwechselnd mal vormittags und nachmittags. Dadurch kommt nie Langeweile für die Mutter daheim auf. So unregelmässig, dass an regelmässige Berufstätigkeit der Mutter nicht zu denken ist. In der Schweiz ist die Kleinkinderbetreuung Privatsache. Kinderbetreuung durch die Grosseltern ist weit verbreitet.

In der Schule lernt das Kind dann gleich, dass man seine Schuhe vor der Klasse auszieht, und ein paar Finken von daheim mitbringt. Das sind keine Singvögel, sondern Hausschuhe, die während des Unterrichts getragen werden.

Bücher, Hefte, Stifte etc. bekommen alle Kinder von der Schule gestellt, es herrscht Lernmittelfreiheit auch für das Material, nur die Schultasche müssen die Eltern in der Schweiz selbst anschaffen. Die wird in der Schweiz übrigens Thek genannt, ohne e.

Der Thek:
Schweizer Thek

Schreibt der Lehrer an die Eltern: „Theks bleiben daheim…“, werden also keine Schultaschen in der Schule benötigt.



30 Responses to “Von Finken die stinken und Theken ohne Bier”

  1. Rolf Says:

    Gut geschrieben! Ich finde es herrlich, den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Die andere Sichtweise erweitert den Horizont. Es stimmt fast alles, bis auf kleine Details.
    Ich hätte nicht Kinski sondern Chindsgi geschrieben, aber dann würde ja der Gag nicht mehr funktionieren.

  2. Gaby Libanon Says:

    Rolf hat recht. Nur ein Deutscher spricht Chindsgi wie Kinski aus, ein Schweizer spricht es so aus wie es korrekt geschrieben wird. Da die Schweiz so klitzeklein ist, sind die Schweizer bemüht, alles zu kürzen. Winti ist Winterthur, Wuko ist Wunschkonzert, Pfila ist Pfingstlager, Mukiturnen ist Mutter-Kind-Turnen. Man empfindet es auch als läß (lässig, heute wohl eher als „cool“ bekannt), Kürzel zu verwenden.

  3. ella Says:

    Schade, dass du kein Bild der originellen Theke mit Kuhfell gefunden hast! Die waren geil! Heute Kult, damals Grund genug um von allen verspottet und ausgelacht zu werden :)!

  4. Phipu Says:

    an Ella:
    Monate später habe ich sie gefunden, die Bilder von Fell-„Schulsäcken“, wie wir sagen (alt und neu). Ich ging noch in die Schule, als ich einer der ersten war mit Nylon-Schulsack. Alle Mädchen hatten glänzende, gefärbte Leder- Schultaschen und die anderen Jungen eben die von der Bildfläche verschwundenen Kuhfell-Schulsäcke.

    Kalbfell Thek
    (Quelle Foto: DebrunnerAG.com)

  5. Joe B. Says:

    Eigentlich heisst es DIE (Schul)thek, wie die Bibliothek.

    Früher gab es auch mal Schulranzen und Tornister (letztere auch in der Armee).
    Jou, mer san hoid fast so vuiseitig wie die Bayer mit den Ausdrücken!

  6. pakery Says:

    Corrigendum: In Basel schreibt man auch Kindski und kunsch und nicht chunsch
    kasch und nicht chasch – aber wir haben auch eine Gugge und keine Tüte und darin einen Klöpfer und nicht Chlöpfer etc.etc.etc.

  7. Helga Schabel Says:

    Ich bin gehörig erschrocken, als unsere Jüngste in die Schule «Finken im Beutel» mitbringen sollte und fluchte auf die Tierquäler.
    Gruss von einer Österreicherin

  8. Bruno Says:

    Ja manchmal muss man halt die ursprüngliche Bedeutung eines Wots erahnen um drausszukommen (druus-cho). Dass das Alter des Schreiberlings relevant ist, sieht man daran, dass in Basel bereits eine Abwendung vom Elsass (wird unterwandert vom französischen) gibt und unterwandert von den Teutonen wird. Schreibt nun bald ganz Helvetien Kinski? Wobei auch hier Namen mit Wörtern verwechselt werden. Oder kommt der Namen von der Bedeutung Kind sein (Chind syn = noch nicht ausgewachsen) her, was auch die Erklärung für den Charakter von Klaus ist. Nomen et omen.

  9. Martin J. Fischer Says:

    Kindergarten (ch-deutsch): Chindsgi. Klaus Kinski – wie auch immer geschrieben – hat damit nichts zu tun. Der helvetische Kratzlaut ch ist dabei von Wichtigkeit. Das aspirierte k trifft nicht genau und führt zum Kinski, was wiederum einen Schweizer zum Fragezeichen weden lässt.

  10. basler Says:

    züridüütsch ist nicht gleich schwyzerdüütsch. in basel sagt man nicht chindsgi, sondern kinski. das wort thek höre/lese ich heute zum ersten mal. bei uns hat das schuelsagg geheissen.

  11. Stéphanie Says:

    ok, ein neues Kapitel in Sachen Dialektkunde (gab’s dazu eigentlich schon einen Blogeintrag? – Muss ich gleich nachschauen): Bei uns im Wallis kennt man nämlich weder Chindsgi/Kinski noch Thek/Schuelsagg sondern Chindergartu und Schüeltäscha. – und es soll wirklich noch Leute geben, die a) glauben, dass die Muttersprache aller Deutschschweizer (Hoch-)Deutsch ist oder b) es tatsächlich sowas wie Schweizerdeutsch gibt. LOL!

  12. Khunrah Says:

    Das hat doch nichts mit dem Wort zu tun. Sondern mit der Aussprache. Schweizerdeutsch kann man ja sowieso nicht schreiben. Ob ein „Ch“ als „K“ oder ein „K“ als „Ch“ ausgesprochen wird, ist ein geographisches Problem.

    „Äs isch äs choge Züg mit däne cheibe Böllä“ kommt mir da vom Film „Die Schweizermacher“ in den Sinn. Ich wette, der Satz kann in mindestens 24 Variationen in Mundart geschrieben werden!

  13. buchi Says:

    Der Satz: „Äs isch äs choge Züg mit däne cheibe Böllä“ ist eindeutig ein Züridütsche Satz. Da würden sich in anderen Dialekten nicht nur die Schreibweise sondern auch ganze Wörter ändern. Weil ja Bölle in Zürichdeutsch nicht etwa Bälle sind sondern Zwiebeln. Diese heissen auf Berndeutsch zum Beispiel Zibele. Das Wort choge existiert auf Berndeutsch nicht und ich weiss nicht welche berndeutsche Wort ein sinvolles Equivalent wäre. Der Begriff cheibe, kann im Berndeutschen verwendet werden ist aber nicht wirklich gebräuchlich! Auf Berndeutsch würde der Satz ev. so geschrieben:
    Es isch ä müesami Sach mit den cheibe zibele!

  14. Phipu Says:

    an Buchi
    oder vielleicht:
    „Es isch e gnietegi Sach mit dene Tonners-Zibele“?
    Aber eben, min. 24 Variationen…

  15. viking Says:

    Um unsere deutschen Mitleser nicht ganz zu (oder erst recht) zu verunsichern. Böllä ist auf Zürichdeutsch sehr wohl Ball und Zwiebel.
    Die Bedeutung ist über den Artikel oder aus dem Kontext abzuleiten.
    „Diä Böllä isch so gross wie än Böllä“ (Diese Zwiebel ist so gross wie ein Ball“). Wobei Ball ja öfters noch spezifiziert wird (Fuessböllä, Tennisböllä).

  16. Nicole Says:

    jaaaaaa….ich erinnere mich noch daran, als ich gefragt wurde, ob ich meine finken dabei hätte. ich darauf nur verwundert geantwortet:
    nö…ich hab keine haustiere…
    oder noch besser. hat mich ein kollege (jajaja, ich schreibe nicht „freund“) gefragt, ob ich „zwerch“ bin. ich hab das jetzt sicher falsch geschrieben.
    aber ich muss dazu sagen, das ich nur 1.60m gross bin und ich ihn empört gefragt habe, ob er das nicht etwas frech findet, mich „zwerg“ zu nennen.
    :-))))

  17. Irene Says:

    Hallo Nicole,
    ob der Dir wohl gesagt hat „bisch zwääg“? – was so viel bedeutet wie „Geht es dir gut?“ Es kann auch heissen „Hast du dich bereitgemacht?“

  18. stoffel Says:

    damit ihr auch wirklich als schweizer duchgehen könnt: kinski tönt ein wenig sehr deutsch: chinsgi entspricht unserer vorstellung von wohlklang schon eher.
    immer schon locker…, stoffel

  19. Hildegard Says:

    Hallole, als neue deutsche Mitleserin bin ich Euch echt dankbar für Eure gelegentlichen Einwürfe für die Schwaben! Die wohlgemerkt zur Abwechslung auch mal Pfälzer sind oder gar von der Nordsee! Dass Schweizerdeutsch was Einheitliches sei, hab ich noch nie geglaubt. Nachdem ich anfangs mich ernsthaft fragte, ob Baseldütsch (zufällig die erste Version, die ich hörte) vielleicht Niederländisch sei, wegen der vielen Gutturallaute, kann ich die Basler jetzt schon ziemlich verstehen.

  20. fa* Says:

    Also ich verstehe alle Deutschen, die Probleme mit unseren vielen Dialekten haben, wenn doch sogar wir Schweizer uns nicht immer verstehen… *schmunzel*
    Auf jeden Fall ist es sehr interessant, was Deutsche von uns denken und sich auch noch getrauen, das im Internet zu veröffentlichen!

  21. Gizmo Says:

    An dieser Stelle würd ich vielleicht gern mal drauf hinweisen das es in deisem Sinne auch kein Deutsch gibt. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, das dauernd davon die Rede ist wieviel Dialekte die Schweiz doch hat, aber wenn von Deutschland die Rede ist wird schlagartig so getan als würden in Deutschland alle nur ein und denselben, nämlich „Schriftdeutschen“ Dialekt, bzw. dialektfrei reden. Das ist nicht so… es gibt nur eine verglewichsweise kleine geographische Region die dem schriftdeutsch am nähesten spricht. Alle anderen haben wie die Schweizer ésterreicher oder welches Land auf diesem Planeten auch immer regionale Dialekte. Drum bin ich beim lesen hier etwas irritiert aber auch amüsiert wenn so getan wird als gebe es nur ein Deutsch.

    Der Kommentar von fa* ist also propblemlos auch umzukehren…

    Interessant ist nur, und das ist mir aufgefallen, das sich trotz der vielen Dialekte in Deutschland oder österreich zumindest in der Schrift alle ein und derselben bedienen. Nur die Schweizer greifen gern auf die mundartschreibweise zurück. Warum das so ist kann ich nur mutmassen und kenne keine Erklärung dafür. Ich bin halt nur froh das in Deutschland und österreich keiner auf diese Idee kommt, die niederbayern nicht so schreiben wie sie reden und die Berliner erst recht nicht…

    Ich denke auch das beispiel oben mit den Zwiebeln macht deutlich wohin das führt wenn jeder seine Mundart auch noch schreibt….

    Vielleicht wird ja auch deswegen (weil alle deutschen schriftdeutsch schreiben und nicht mundart) gemutmasst das alle Deutschen auch so sprechen, was ja nun wirklich nicht der Fall ist …

  22. flo-m Says:

    zuerst noch etwas zu den deutschen Dialekten:
    Ich denke, dass dies hier nicht so erwähnt wird, weil die deutschen Dialekte ein wenig näher beim Hochdeutsch liegen als die Schweizer Dialekte. So versteht man die Deutschen auch eher – nur gegen Norden kommen noch die anglikanischen Worte dazu, wo es ein wenig schwerer wird.

    und noch etwas zu dem Schweizer -k, -ch:
    Es ist ja wirklich regional unterschiedlich (kilbi, chilbi; kascht, chasch;karra, charre usw.). Aber bei uns ist der offizielle Name einer Alp auch unterschiedlich geschrieben – auf den Wegweisern steht Chienberg und wieder irgendwo anderst steht Kienberg. Also beides an einem Ort.
    (Die Einheimischen nennen ihn aber Käbig)

  23. Mock Says:

    „Häscht dini Ovo hüg scho gha ??“ Schweizer Werbung für Ovomaltine ein Satz, der mich heute noch begeistert. Einfach liebenswert.

  24. Chris Says:

    Hallo!

    @fa*: Nun, auch in Deutschland verstehen sich nicht alle (rein sprachlich betrachtet) problemlos… Insbesondere mit „Extrem“-Dialekten (Sächsisch, Allgäuerisch, Saarländisch, Friesich-Platt, etc.) kann es passieren, dass die Beteiligten sich gegenseitig für Ausländer halten. 🙂

    @Gizmo: Ganz so einheitlich ist es nun doch nicht. Zum Einen gibt es unterschiedliche Termini für die gleichen Dinge, welche regional spezifisch verwendet werden (Hähnchen/Händl/Broiler…; Berliner/Krapfen/Pfannkuchen…; Möhren/Wurzeln…) und andererseits auch lokale orthographische Abweichungen.

    @flo-m: Manche Dialekte in der BRD sind nach meinem Gefühl weiter entfernt vom Hochdeutsch, als einige in Österreich verwendete. Aber die in der Schweiz genutzten sind tatsächlich sehr besonders.

    ciao
    Christoph

  25. Solothurnerin Says:

    noch ne Info am Rande: ich bin nun doch schon 25 und habe erst vor kurzem erfahren, dass der „Schueusack“ in Zürich und Region anscheinen „Thek“ heisst. Das fand ich selbst ganz amüsant… Also selbst wir Schweizer staunen manchmal über gewisse Ausdrücke, die von Dialekt zu Dialekt völlig verschieden sind… 😀

  26. pit vo lissabon Says:

    hallo pakery, in basel heissen die zürcher serwilaa weder klöpfer noch chlöpfer sondern glöpfer. das fänomen heisst lenisierung.

  27. ST.Galler Says:

    Ja, es ist nicht immer einfach in einem andern Land!
    Andere Länder andere Sitten. Die Schweiz ist halt mit Ihrem „kantönli Geist“ doch sehr speziell. Die verschiedenen Dialekte, sowie x-verschiedene Bezeichnungen für ein und denselben Gegenstand!
    Als Anreiz: Wenn du mal im Oberwallis landest, geh mal in ein kleines Dorf und in die Dorfkneippe: Als Schweizer und NichtWalliser ist man schon mal als Üsserschwiitzer abgestempelt. Wenn du es nun schaffst im ersten Anlauf ein Bier zu bestellen und du verstehst die Antwort, dann bist du besser als macher gebürtiger Schweizer.

    Bei euch, in Deutschland, ist es doch genau gleich! Einen Saxer versteht der Konstanzer ja auch kaum! Bin zudem der Überzeugung, dass die eine Bezeichnung für eine Sache / Ding nicht zwingend in der ganzen BRD auch so verwendet wird.

    🙂

  28. Dennys Says:

    Nicht überall heisst es „Kinski“. In Bern sagt man „Chindsch“. Und von „Thek“ habe ich noch nie was gerhöt, ist wohl ein Zürcher-Ausdruck…

  29. surfer Says:

    Ouh ja, die Basler kennt ihr einfach nicht, da muss man schon einen Basler haben wie hier der das bestätigen kann!
    „Kinski“ genau ausgesprochen wie uns‘ Klaus kann ich bestätigen.

    Ich hoffe ja ich verletze hier keine Gefühle, aber für mich sind Basler aussprachemäßig in der Schweiz das, was die Schotten bei den Engländern sind.
    Es ist wirklich EXTREM verschieden und tönt einfach sehr fremdartig.

    Man muss dazu nicht mal nach Basel fahren 🙂 Bei den GLOBI-Kinderkassetten erinnere ich mich an eine Folge, bei der eine Baslerin zu hören war. Und das war definitiv eine echte, das funktioniert nicht mit anlernen und getürkt, nie im Leben.

  30. Ernestostephano Says:

    Der Thek. WHAT THE HELL IST THIS? In der Schweiz sollen Schultaschen so heissen. Ja, ja, der kluge Jens Wiese denkt, in Bülach heisst die Schultasche Thek – und schreibt sofort, «die Schultasche … wird in der Schweiz übrigens Thek genannt, ohne e.» Und denkt dabei nicht nur nicht so weit, dass sie im Tessin oder in der französischen Schweiz ganz anders heissen könnte, weil er als guter Teutscher natürlich auch die Schweiz nur teutsch wahrnimmt, sondern kann sich natürlich als Flüchtling aus einer Einheits-Kulturnation auch gar nicht denken, dass es womöglich regionale Unterschiede gibt, sprachlicherart. Thek? Gibts in Basel, obwohl Grenzstadt zum teutschen Reich schon mal gar nicht. „Schulsack“ sagen wir hier, „kreisch“ johlt der Wiese, weil er an sein Gemächt denkt … Dennoch, so heisst das hier. Schulranzen wie bei den Teutonen tönt ta total toller …